Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

SCHÖDL, Günter: Zur Forschungsdiskussion über alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie und im Deutschen Reich

Rezensionen 523 Manfried Rauchensteiner Spätherbst 1956. Die Neutralität auf dem Prüfstand (Eine Veröffentlichung des Heeresgeschichtlichen Museums), öster­reichischer Bundesverlag, Wien 1981. 123 S., 21 Abb. Was Manfried Rauchensteiner, tätig am Militärwissenschaftlichen Insti­tut und Dozent an der Universität Wien, in diesem Bändchen präsen­tiert, ist Zeitgeschichte einmal nicht im üblichen Sinn. R. gelingt es, die Schallmauer des Staatsvertrages von 1955, die bislang zumeist wissen­schaftliche Forschung von journalistischen Arbeiten und politischen Me­moiren getrennt hat, zu durchbrechen und auf Grund offizieller Akten, aber auch von privaten Quellen, wie z. B. dem Tagebuch des General­truppeninspekteurs Fussenegger, ein präzises und plausibles Bild der österreichischen Reaktion auf die Vorgänge in Ungarn 1956 zu entwerfen, die so viele Parallelen zu Ereignissen der letzten Jahre aufweisen, vom Zusammentreffen der Schlußphase eines amerikanischen Wahlkampfes mit dem Höhepunkt einer Nahostkrise bis zur Person des damaligen sowjetischen Botschafters in Budapest, Andropov, und zum im Ostblock grassierenden „polnischen Virus“. Ihren dramatischen Höhepunkt erreichte die Krise im Spätherbst 1956 für die österreichischen Militärs in der Nacht vom 5. auf den 6. Novem­ber, als an die bereits an der Grenze sichernden Einheiten ein Absetz­befehl erging, da man sich nicht sicher war, ob nicht ein sowjetisches Ausgreifen nach Österreich unmittelbar bevorstand und man unnötigen Zwischenfällen ausweichen, aber auch Zeit für die Verteidiger gewinnen wollte. Und der Wille zur Verteidigung war bei aller offenkundigen mili­tärischen Aussichtslosigkeit vorhanden, wozu gerade das Beispiel des Jahres 1938 anspornte, als die österreichische Armee keinen einzigen Schuß abgefeuert und ihre Existenzberechtigung damit rückblickend in Frage gestellt hatte. Das diskrete Abschieben ungarischer Exilpolitiker, aber auch die kompromißlose Entwaffnung eingedrungener Rotarmisten wie Honvédangehöriger (wobei ein Russe sogar auf der Flucht erschos­sen wurde!) sind weitere Details, die geeignet sind, die Haltung Öster­reichs in diesen Tagen zu charakterisieren. R. schließt, daß die österreichische Neutralität gestärkt aus den Herbst­tagen des Jahres 1956 hervorgegangen ist. Von einer Garantie der Groß­mächte war in Hinkunft nicht mehr die Rede. Dem Autor ist zu danken für eine in gut lesbarer Form geschriebene Darstellung, die es versteht, die Stimmung der Besorgnis und Unsicherheit jener Tage (und insofern kam dem Einsatz des Bundesheeres in den Grenzgebieten auch eine ganz enorme psychologische Bedeutung zu) dem Leser deutlich zu machen, die auf Grund ihrer stets aktuellen Problematik aber als Beitrag nicht nur zur vielzitierten Bewältigung der Vergangenheit, sondern auch zu jener der Gegenwart verstanden zu werden verdient. Lothar Hobelt (Wien)

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