Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)
SCHÖDL, Günter: Zur Forschungsdiskussion über alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie und im Deutschen Reich
420 Literaturberichte Zusammenarbeit mit den Westmächten vor, allerdings lediglich als Abwehr der russischen Expansion und zur Erhaltung des status quo. Die Militärs lehnten dies jedoch ab, sie verlangten vorher eine Allianz mit Preußen, die jedoch am Problem der Vorherrschaft in Deutschland scheiterte. Zu der umstrittenen Frage, wer der bestimmende Faktor der österreichischen Außenpolitik war, bieten die vorgelegten Quellen keine eindeutige Antwort, doch vertritt die Vfn die Ansicht, der eigentliche Architekt der Politik sei Buol gewesen, während sich der Kaiser jeweils die Entscheidung Vorbehalten und nicht, wie Heindl behaupte, ihm freie Hand gelassen habe. Abschließend erörtert die Bearbeiterin die Frage des Einflusses des Militärs, wobei die vorliegenden Quellen wenig eindeutige Hinweise geben. Vor allem bei der Entsendung Gyulais nach Petersburg, die angesichts der spärlichen Quellen noch viele Probleme birgt, scheint der Außenminister keinen direkten Einfluß gehabt zu haben. Werner Z ü r r e r gliedert seine lange Einleitung zum zweiten Band nach Themenkreisen, und zwar: Österreichs Verhältnis zu Rußland, zu den Westmächten, zu Preußen-Deutschland, die Balkanpolitik, die Wiener Konferenz von 1855 und abschließend ein Kapitel über Franz Joseph und seine Berater, eine Frage, mit der er sich außerdem bereits im ersten Kapitel auseinandersetzt. Den von Österreich unternommenen Versuch, die Vorteile eines Alliierten der Westmächte mit denen des Nicht- Kriegführenden zu verbinden, indem man den Bündnisvertrag mit Paris und London unterzeichnen und zugleich eine Friedenskonferenz einberufen wollte, bezeichnet Z. als Meisterleistung der diplomatischen Taktik, aber als strategisch nachteilig. Hinsichtlich des Bündnisabschlusses mit den Westmächten kritisiert Z. besonders die Überschätzung der Gefahr einer Revolutionierung Italiens durch Frankreich, die Entfremdung der deutschen Höfe, wodurch Preußen als Verteidiger der deutschen Interessen erscheinen konnte, sowie überhaupt den Primat der Außenpolitik gegenüber der finanziellen und innenpolitischen Situation der Monarchie. Für die Finanzpolitik wäre wohl ein Hinweis auf die grundlegende Arbeit von Harm-Hinrich Brandt2) erforderlich, die aber immerhin im Literaturverzeichnis aufscheint. Stark polemisch ist das Kapitel über das Verhältnis zu Preußen und dem Deutschen Bund, in dem Z. abschließend feststellt, daß während der ganzen franzisco-josephinischen Epoche die Wiener Außenpolitik „durch Unterwürfigkeit gegen die starken und Überheblichkeit gegen die vermeintlich schwächeren Mächte charakterisiert“ (S. 34) war. Für den hier dokumentierten Zeitraum sei die Politik Österreichs gegenüber den Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes verfehlt gewesen, in der Form verletzend-aggressiv, im Inhalt eigensüchtig und rechthaberisch. Franz Joseph 2) Harm-Hinrich Brandt Der österreichische Neoabsolutismus. Staatsfinanzen und Politik 1848—1860. 2 Bde (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 15, Göttingen 1978).