Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

SCHÖDL, Günter: Zur Forschungsdiskussion über alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie und im Deutschen Reich

Referate 413 ringer; zweifellos findet man auch in den Korrespondenzen Ausführun­gen zu längerfristigen politischen Konzeptionen Ferdinands. Jedoch wird eine eingehende Erörterung solcher Passagen kaum einmal geleistet n), und diejenigen sonstigen Dokumente, die grundsätzliche Überlegungen Ferdinands zu bestimmten Themenbereichen enthalten, hat S. F. in kei­nem Fall intensiv ausgewertet. Das sind zwar keine den politischen Testamenten Karls V. vergleichbare Reflexionen, aber doch etliche Schrift­stücke, teils von Ferdinand persönlich, teils von seinen engen Mitar­beitern, aber nach seinen Richtlinien, verfaßt — bzw. von ihm zur Grundlage seines Handelns gemacht —, die in einer Biographie Ferdinands eine ausführliche Interpretation verdienen: Gemeint sind die umfang­reiche Instruktion für den Herrn von Bredam (Juni 1524) 12), das per­persönliche Credo Ferdinands für seinen Schwiegersohn, den in Glau­bensdingen schwankenden Herzog von Cleve (eigenhändig geschrieben! S. F. scheint es nicht zu kennen, obwohl schon Moriz Ritter darauf hingewiesen hat)13), das von seinem Reichsvizekanzler Seid ausgearbei­tete Memorandum über das Verhältnis von Kaiser und Papst (1558) 14), die dem Tridentinum unterbreiteten Vorschläge zur Reform der Kirche an Haupt und Gliedern15 * * *), die prinzipiellen Denkschriften Ferdinands über die reichsrechtliche Seite der Nachfolgefragele) und einiges andere. Niemand hat bisher versucht, die Biographie Karls V. nur auf der Basis seiner Familienkorrespondenz zu schreiben. Kann man wirklich, wie S. F. es versucht, Ferdinands Politik erfassen, wenn man die Ak­ten zu seiner Reichstagspolitik, seiner Konzilspolitik, seiner Ungarnpo­litik (Hungarica, Turcica) kaum eines Blickes würdigt, obwohl sie in n) In diesem Zusammenhang zwei Bemerkungen zum Anmerkungsteil: S. F. hat mit Verweisen auf Quellen und Literatur nicht gespart, aber auch von den allerwichtigsten unedierten Quellenstellen gibt sie keine wörtlichen Zitate; eine sofortige Überprüfung ihrer Interpretation ist also nicht möglich. Ihren Verweisen nachzugehen, ist manchmal leider eine rechte Plage: In mehreren Fällen habe ich mich vergeblich bemüht herauszufinden, was an der angegebenen Stelle eigentlich die Aussagen des Textes stützen soll — Behaup­tung und Beleg harmonieren nicht; das ist darum ärgerlich, weil so auch gegenüber den Verweisen auf archivalische Quellen Mißtrauen entsteht, ob das, was im Text eventuell bedenklich erscheint, in der angegebenen Quelle gedeckt wird. 12) Ediert in FK 1 147—192. 13) Moriz Ritter Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des dreißigjährigen Krieges 1555—1648, 3 Bände (Stuttgart 1889—1908); hier 1 217. 14) Gedruckt bei Melchior G o 1 d a s t Politische Reichshändel (Frankfurt am Main 1614) 162—200. 15) Ediert von Theodor E. von Sickel Zur Geschichte des Conzils von Trient 1559—1563. Actenstücke aus österreichischen Archiven (Wien 1872; Neu­druck Aalen 1968) bes. 520—533. i«) Vgl. hierzu Ernst L a u b a c h Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich in MÖStA 29 (1976) 33 ff.

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