Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

SCHÖDL, Günter: Zur Forschungsdiskussion über alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie und im Deutschen Reich

Referate 411 zierte Konglomerat von schwierigen Problemen, die noch längst nicht alle hinreichend erhellt sind, obwohl immer wieder, besonders auch in den letzten zwei Jahrzehnten, verschiedene Einzelfragen der Geschichte Ferdinands I. eingehend untersucht worden sind, monographisch zu be­wältigen, wird noch weiter erschwert durch die recht komplizierte Quel­lensituation: Da die Forschung primär an Karl V. interessiert war, liegt trotz einiger gewichtiger Editionen der Großteil des schriftlichen Nie­derschlags von Ferdinands politischer Tätigkeit noch unediert in den Archiven. Welchen Weg der biographischen Annäherung an Ferdinand I. hat nun S. F. eingeschlagen? Welche Beziehungen zwischen Person und Sache — um eine Formel von Heinrich Lutz anzuwenden — hat sie in den Vor­dergrund ihrer Betrachtung gerückt und welches Bild entwirft sie von der Persönlichkeit ihres „Helden“? Gleich an den Anfang anstelle einer Einleitung hat S. F. eine Per­sönlichkeitsstudie Ferdinands gesetzt, die man eigentlich erst am Ende der Arbeit als Ergebnis erwartet hätte8). Sie überrascht mit der Vor­stellung Ferdinands als eines Mannes, dessen Charakter und Grundan­schauungen von der Jugend bis ins Greisenalter unverändert geblieben seien. Diese Statik im Wesen Ferdinands — die in seiner fast unver­ändert gebliebenen äußeren Erscheinung eine Parallele haben soll — wird belegt mit seinen gleichgebliebenen Lebensgewohnheiten und Liebhabe­reien und mit jeweils ähnlich klingenden Äußerungen aus seiner frühen und der späteren Lebenszeit zu bestimmten Grundfragen seiner Epoche. Ein gewichtiger Punkt ist dabei natürlich seine unerschütterliche An­hänglichkeit an den katholischen Glauben. Primär und elementar ge­prägt worden sei Ferdinands Lebensführung und Politik indessen von der dynastischen Idee: Die Wahrung der Interessen der Familie, der Stellung des Hauses Habsburg sei das Grundmotiv, das sein ganzes Handeln bestimmt habe. Der Titel des Buches erhebt Ferdinand ja ge­radezu zum Paradigma dynastischer Politik für seine Epoche. Die Funktion der Skizze von seinem statischen Wesen ist, die Ausgangs- und Kern­these zu verankern, daß Ferdinand trotz aller zu verzeichnenden Va­riationen in seinem Leben — S. F. behauptet keineswegs etwa eine geistige Unbeweglichkeit des Habsburgers — vor allem jener dynasti­schen Lebensaufgabe zu dienen bestrebt gewesen sei. Und S. F. meint infolgedessen, daß die dynastische Komponente wie als bestimmendes Leitmotiv zur Erfassung und Deutung von Ferdinands Leben und Wir­ken, so als roter Faden für ihre Ausführungen genüge. Sie beabsichtigt und beansprucht mithin nicht, alle Aspekte der Biographie Ferdinands zu behandeln. Aber eine Biographie, eine Darstellung der Lebensgeschichte Ferdinands I., soll ihr Buch offenbar doch sein. Denn der Hauptteil 8) S. 1—12.

Next

/
Thumbnails
Contents