Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

SCHÖDL, Günter: Zur Forschungsdiskussion über alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie und im Deutschen Reich

408 Günter Schödl Erfreulicher fällt die Bilanz aus, wenn die Erweiterung unseres biogra­phischen, ereignis- und geistesgeschichtlichen Wissens in Betracht gezo­gen wird. Diese Feststellung bezieht sich allerdings nur auf die Literatur über die alldeutsche, keinesfalls auf diejenige über die deutschnationale Bewegung insgesamt. Die Attraktivität der letzteren als wissenschaftli­chen Gegenstandes verhält sich umgekehrt proportional zu ihrer ge­schichtlichen Bedeutung. Dies mag teilweise darin begründet sein, daß sich biographisch interessierte Forscher auf diesem Arbeitsfeld — ähn­lich wie auf demjenigen der deutschnationalen Bewegung in Ungarn — mit einer sehr ungünstigen Materiallage konfrontiert sehen. Gerade diese Situation birgt in sich die Chance des methodologischen Wandels. Es liegt nahe, Ansätze der älteren (z. B. van Arkel und Whiteside), auch der neue­ren Literatur (z. B. Urbanitsch, besonders auch die gegenwärtige Kaiser­reichdebatte) aufzugreifen und das biographisch-ereignishistorische Er­kenntnisinteresse einem sozialhistorisch-systematischen unterzuordnen. So würde sich möglicherweise ein regionalgeschichtlich-exemplifizieren- der Zugang zur Frage nach der ,Rolle“ deutschnationaler Parteien im po­litisch-gesellschaftlichen System Altösterreichs ergeben. Sicherlich würde sich in diesem Zusammenhang etwas herauskristallisieren, was es derzeit im Grunde nicht gibt: eine Forschungsdiskussion über alldeutsch-deutsch­nationale Politik in der österreichischen Reichshälfte, — nicht nur über Einzelheiten einer systematischen Struktur- und Funktionsanalyse, son­dern auch über davon kaum trennbare Probleme der Begriffsbildung, des internationalen Vergleichs und einer eventuellen alldeutsch/deutsch- national-nationalsozialistischen Kontinuität. Beim derzeitigen Forschungsstand allerdings ist zu bekennen, daß jene Frage, deren zentrale Bedeutung die eingangs erwähnte zeitgenössische Existenzformel des extremen Nationalismus ebenso zum Ausdruck bringt wie gegenwärtig so mancher Vorgang im außerwissenschaftlichen Bereich, noch nicht befriedigend zu beantworten ist: Die eigenständige Dynamik gerade des extremen Nationalismus in Österreich wie auch in Deutsch­land — Zustandekommen, Wirkungsweise und Wandel seiner gesellschaft­lichen Breitenwirkung —, überhaupt die sozio-psychische Summe der weder manipulativ ,von oben“ geschaffenen noch interessenpolitisch­zweckrationalen Motive dieser Dynamik harrt weiterhin einer überzeu­genden Erklärung. * 11 überhaupt nicht (Nr. 1) oder nur unter unzumutbaren finanziellen Belastungen (Nr. 2, 3) erhältlich sind (Bescheid der Universitätsbibliothek Erlangen v. 10.11., 11. 12. 1981 und 8. 1. 1982). Abschluß des Manuskripts: Februar 1982.

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