Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

DIRNBERGER, Franz: Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze (1918–1926)

238 Franz Dirnberger führungsbewilligung“; diese hatte der jeweilige Landeschef (Statthalter) zu erteilen3). Von einer Aufführung war ausgeschlossen, was gegen das allgemeine Strafgesetzbuch verstieß, gegen das Herrscherhaus gerichtet war, die Ruhe und Ordnung stören konnte, den öffentlichen Anstand, die Moral oder Religion verletzte oder in das Privatleben einzelner Personen eingriff4). Der Ruf nach Reform dieser Theaterordnung wurde früh­zeitig laut. Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 erkannte zwar jedermann das Recht zu, „durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesellschaftlichen Schranken frei zu äußern“5), aber es kam zu keiner Änderung. Erst 1903 verordnete das Innenministerium die Einsetzung eines Theaterbei­rates, der schon 1850 vorgesehen war 6). Um die Gutachten über die ein­gereichten Theaterstücke zu objektivieren, bildeten hinfort die Stellung­nahmen des Beirates die Grundlage für die Erteilung der Aufführungs­bewilligung. Dagegen blieb der 1897 von einer Gruppe von Fachleuten erarbeitete Theatergesetzentwurf, der auch die Zensurangelegenheit ein­schloß 7), liegen. Obwohl er von 1911 bis zum Ende der Monarchie wie­derholt im Abgeordnetenhaus Gegenstand der Beratungen war, darüber hinaus auch in der jungen Republik zur Grundlage neuer Gesetzesent­würfe diente, konnte man sich über dieses heikle Thema nicht einigen. Die Theaterzensur blieb auch in der Republik eine umstrittene Angele­genheit. Die Theaterordnung von 1850 galt nicht für die Hoftheater. Dem Lan­deschef stand gegenüber der Hofverwaltung keine Gewalt zu. Um etwa aufkommende Zweifel auszuschließen, erließ der Innenminister an den niederösterreichischen Statthalter zusätzlich eine diesbezügliche Weisung; die Aufführungsbewilligung für die Hoftheater erteilt das Oberstkäm­mereramt als oberste Hoftheaterbehörde8). Bei den Hoftheatern galten seit jeher die 1850 für die Privattheater aufgestellten Grundsätze, dar­an änderte auch das Jahr 1848 nichts. Eine Bestätigung dafür findet sich in der Dienstinstruktion für den „artistischen Direktor“ des Hofburg­theaters, Dr. Heinrich Laube, vom 29. Dezember 18499). Inwieweit der oberste Hoftheaterdirektor Carl Graf Lanckoronski Aufführungsbewilli­3) Theaterordnung von 1850 November 25, § 3: RGBl. Nr. 454 ex 1850. 4) Gemäß Instruction an die Statthalter derjenigen Kronländer, in welchen die Theaterordnung in Wirksamkeit tritt, die Handhabung derselben betreffend, welche zusammen mit der Theaterordnung verlautbart und im RGBl, im An­schluß an diese publiziert wurde. 5) RGBl. Nr. 142 ex 1867. 6) Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (AVA) Ministerium des Innern (MI) ZI. 6385/ ex 1902 (Erlaß von 1903 April 2) bzw. in Instruction (wie Anm. 4). 7) Vgl. Dirnberger Konflikte 260 f. «) MI ZI. 6103 ex 1850. 9) Haus-, Hof und Staatsarchiv Wien (HHStA) Generalintendanz der Hof­theater (Gl; richtig: Oberstkämmereramt [OKäA] als oberste Hoftheaterdi- rektion) ZI. 2137 ex 1849.

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