Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

SAPPER, Christian: Die Zahlamtsbücher im Hofkammerarchiv (1542–1825)

Rezensionen 515 tät, aber auch mit innerer Anteilnahme und vollem Verständnis für die oft bitteren und schwerwiegenden historischen Ereignisse, die Jahrhunderte lang die innere Kraft des italienischen Volkes auf eine harte Probe gestellt haben. In tiefgreifenden Analysen der Theorien von Denkern und Politikern des Ri­sorgimento und der nachfolgenden Zeit richtet der Autor seine besondere Aufmerksamkeit auf die Anfänge des italienischen Nationalismus, der schließlich in den Faschismus mündete. Allerdings weisen einige Schlußfol­gerungen zu diesem Thema - obwohl als Gegenstände kritischer Auseinan­dersetzung ohneweiteres diskutabel - durch simplifizierende Auslegung ver­wundbare Stellen auf; so etwa scheint die Identifizierung der Ideen Mazzinis und Giobertis, insbesondere im Hinblick auf ihre Überbewertung der italie­nischen „virtü“, mit den theoretischen Wurzeln jenes im Faschismus enden­den Entwicklungsstranges doch zu sehr vereinfacht und steht m. E. nicht immer im Einklang mit dem, was der Autor hinsichtlich der Genese des ita­lienischen Nationalismus einerseits und der Formierung des Faschismus in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts andererseits klar und eindringlich vor Augen führt. Im Ganzen gesehen kann der Aufbau des Buches als durchaus gelungen be­zeichnet werden; er berücksichtigt nicht nur die Entwicklung im politischen Bereich, sondern auch die Ideengeschichte, den Ausbau der öffentlichen Verwaltung, ökonomische Verhältnisse, das Kunstschaffen und andere Ele­mente, die jemals dazu beigetragen haben, politisches Geschehen zu inspirie­ren oder auch nur zu beeinflussen. Und in jeder dieser Disziplinen zeigt der Autor eine souveräne Beherrschung der Materie und der - vorwiegend italie­nischen und deutschen - Literatur zur Geschichte Italiens vom 16. bis zum 20. Jahrhundert sowie die Befähigung, die Resultate der jüngsten Forschung kritisch zu bewerten. L. setzt mit dem 16. Jahrhundert ein, dem Beginn einer Periode politischen und wirtschaftlichen Verfalles, dessen eingehende Kenntnis für das Ver­ständnis späterer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Vorgänge - und auch gewisser Eigenheiten der italienischen Mentalität, die sich bis auf un­sere Tage erhalten haben - unabdingbar sind. Nach Darstellung des Zeital­ters der spanischen Präponderanz in Italien und des (an signifikanten Vor­zeichen des Risorgimento reichen) napoleonischen Intermezzos analysiert der Autor die verschiedenen Aspekte der österreichischen Vorherrschaft, den Verlauf des Risorgimento, die Errichtung des Königreichs Italien, dessen in­nere und äußere Politik, den Ersten Weltkrieg, das Emporkommen des Fa­schismus -, alles eingebettet in eine vielseitige Überschau über das Gesche­hen in Europa und den außereuropäischen Nachbarzonen. Häufig sind Be­rührungen und Bezüge zur deutschen Geschichte, aus welcher der Autor klare Ähnlichkeiten oder Unterschiede mit den italienischen Ereignissen her­vorhebt. Für den Zeitraum vor der Einigung verfolgt der Autor getrennt die Situationen in den einzelnen italienischen Staaten, indem er deren konstitu­tionelle Strukturen, die Wirtschaft, die innere Gesamtsituation, Außenpolitik und kulturelle und ideengeschichtliche Bewegungen darstellt. Die politische, administrative und wirtschaftliche Aktivität der österreichi­schen Herrschaft in Italien wird objektiv und vorurteilsfrei dargelegt. Ledig­lich gegenüber den Vorkommnissen vor und während des Ersten Weltkrieges läßt der Autor eine gewisse Befangenheit erkennen, so etwa im Hinblick auf 33*

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