Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

SAPPER, Christian: Die Zahlamtsbücher im Hofkammerarchiv (1542–1825)

Referate 465 svuda [Alle Serben und Serben überall], die von den Siedlungsgebieten der Serben zwischen Triest, der Bojana, dem ehemaligen serbischen Patriarchen­sitz in Péc, dem Banat und Slawonien ausgeht und in diesem Territorium ein Fünf-Millionen-Volk ortet, das die „serbische Sprache“ spreche. Drei Millio­nen zählte er zum orthodoxen Christentum, über eine Million als Muslime und nur etwa 700.000 Personen als Katholiken, die aber nur unter regionalen Namen figurierten (Ragusaner, Slawonier etc.) oder unter Sondemamen (Bunjevci, Sokci etc.). Für alle gelte aber die serbische Sprache, daher auch der serbische Name, der Orthodoxe, Muslime und Katholiken umfasse. Den kroatischen Namen läßt er nur für die Cakavci im Kroatischen Küstenland und die Kroaten in den Komitaten Zagreb, Krizevci und Varazdin gelten, obwohl er auch diese als Kajkavci als zu den Slowenen gehörend bezeichne- te. Karadzic reklamierte also alle Stokavci als Serben und negierte somit - nach Meinung B’s — den subjektiven Nationsbegriff. Daher hält der Autor dem Sprachschöpfer Vuk auch einen „sprachlichen Nationalismus“ (S. 77) vor, der den Serben „zur Begründung eines irredentistischen oder gar hege­móniáién politischen Nationalismus“ (S. 77) diente. Da er auch die nationale Eigenständigkeit der stokavischen Kroaten leugnete, sei dieser Nationalismus als „exklusiver Serbismus“ (S. 78) zu bestimmen. Und trotz kroatischer An­griffe in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegen seine These wie­derholte Karadzic in seinem Artikel Srbi i Hrvati (1861) seine Gleichsetzung von Serben und Stokavci und gestand nur die Zuordnung der Kajkavci zu den Kroaten zu4). Von Svetozar Miletic, dem national-liberalen Führer der südungarischen Serben zwischen 1860 und 1880, unterzieht B. mehrere Programme einer ein­gehenden Analyse. Er verweist auf Miletic’ Föderationsplan 1848/49 mit je einem serbischen, kroatischen und slowenischen Teilstaat, sieht im „Tucind- an“-Artikel (= Tag vor dem orthodoxen Weihnachtsfest, wenige Tage nach Auflösung der „Serbischen Woiwodschaft“) von 1861 den Übergang vom „konstitutionellen Serbismus“ zum „irredentistischen Großserbismus“ - vor allem über die Organisation der „Omladina“ -, unterstreicht aber die takti­sche Neuorientierung Miletic’ im Programm von Beckerek 1869 mit der For­derung nach einer „möglichst großen staatsrechtlichen Autonomie“ im Rah­men des dualistischen Ungarn. Seine expansive Stoßrichtung hatte jedoch Miletic bereits in seiner Artikelserie über die Orientfrage (Istocno pitanje) 1863 angedeutet: die geschichtsphilosophische Begründung der Existenzbe­rechtigung von unabhängigen Balkanstaaten der Serben, Bulgaren, Griechen und Rumänen, allerdings in Kombination eines serbisch-bulgarischen Bun­desstaates und einem Staatenbund mit Griechenland und Rumänien. Gegen­über den kroatischen Ländern schlug er jedoch eine Grenzrektifizierung vor, mit der „ein Theil Bosniens bis zum Flusse Verbas, welcher einst zu Kroatien 4) Verdienstvoll sind die ausführlichen bibliographischen Angaben B’s zu den hi- storiographischen Deutungen des „Naöertanije“ wie Karadzic’ Srbi svi i svuda (S. 267-270, 281-284). Mitteilungen, Band 35 30

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