Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

SAPPER, Christian: Die Zahlamtsbücher im Hofkammerarchiv (1542–1825)

464 Literaturberichte kerungsgruppen) bewohnt wurden, z. B. von Bosnien-Herzegowina, Dalmatien, der Mi­litärgrenze und der Vojvodina. — Die kroatische Reinkorporationsforderung auf Medju- murje wird man jedoch auf Grund des hohen kroatischen Bevölkerungsanteils noch eher als die auf Istrien, Rijeka (Fiume) und Dalmatien „als Ausdruck des national­staatlichen Kroatismus“ (S. 50) bezeichnen müssen und keinesfalls als Großkroatis- mus. Inwieweit Großserbismus und Großkroatismus als „irredentistisch“ zu bewerten sind, hängt wohl auch von ihrem jeweiligen Verhältnis zur Staatsgewalt ab, die ja im 19. Jahrhundert (zumindest bis 1878) entweder österreichisch, ungarisch oder osma- nisch war, „hegemoniale“ Ansprüche waren aber mit Großserbismus und Großkroa­tismus jedenfalls verbunden. C) Panserbismus - Pankroatismus: Daß die Übersteigerung des hegemóniáién Nationalismus bei beiden Nationen in der Einbeziehung der anderen Nation in die eigene landete, bezeichnet der Autor zu Recht als „radikale Destruktion des Nationali- tätsprinzips“ (S. 51). Als Abrundung zu diesen Gegensatzpaaren führt Behschnitt auch Formen des Jugoslawismus an, die in konzentrierter Form besonders in den Ju­gendbewegungen seit der Jahrhundertwende bei beiden Nationen zum Tra­gen kamen:- Die Vertreter des unitarischen Jugoslawismus betonten die Einheit der südslawi­schen Völker als Abstammungsgemeinschaft, die nahe Verwandtschaft auf kulturel­lem Gebiet, die gemeinsame serbokroatische Schriftsprache, und sie plädierten für die Eintracht (sloga) unter den „jugoslawischen“ Nationen.- Die Vertreter des integralen Jugoslawismus vertraten bereits die nationale Einheit und die Identifikation von Serben und Kroaten mit den Slowenen. Die jugoslawi­schen Nationen sollten zu einer möglichst homogenen Nation in einem gemeinsamen souveränen Staat verschmolzen werden.- Diese vor allem zwischen den beiden Weltkriegen forcierte Staatsideologie - vgl. „Königreich Jugoslawien“ 1929 — wurde schließlich nach 1945 von einem föderali­stischen und sozialistischen Jugoslawismus abgelöst, der die politische Einigung nicht auf den Status von eigenständigen Nationen ausdehnte. Nach diesen grundsätzlichen Vorbemerkungen zu Voraussetzungen und Ty­pologien des Nationalismus bei Serben und Kroaten führt nun der Autor die wesentlichen ideengeschichtlichen Ausformungen auf breiter Quellen- und Literaturbasis vor. Im Nacertanije [Entwurf] des serbischen Innen- und Au­ßenministers Ilija Garasanin, später auch Ministerpräsident, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, eines vom tschechischen Agenten Frantisek Zach inspi­rierten Programms der auswärtigen und nationalen Politik Serbiens Ende 1844, erkennt B. bereits mehrere Nationalismus-Typen: einen „irredentisti- schen Großserbismus“ in bezug auf die Vereinigung Bosniens mit Serbien, einen ökonomischen Nationalismus in den Beziehungen Serbiens zu Monte­negro und Nordalbanien (Frage des handelspolitischen Zugangs zur Adria!), einen konstitutionellen Nationalismus (mittels subtiler nationaler Propagan­da) in Richtung der sozial, wirtschaftlich und kulturell höher entwickelten Vojvodina. Die Kroaten oder die kroatische Nation kamen bei Garasanin gar nicht vor, auch wenn er die katholische Raja in Bosnien über die Franziska­ner zu gewinnen trachtete. Akzentuierter stand das Thema Serben - Kroaten beim Sprachschöpfer und Volksliedsammler Vuk Stefanovic Karadzic zur Diskussion: Ausgangspunkt ist Karadzic’ 1836 verfaßte und 1849 veröffentlichte kleine Schrift Srbi svi i

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