Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
SAPPER, Christian: Die Zahlamtsbücher im Hofkammerarchiv (1542–1825)
Referate 463 Nationswerdung im 19. Jahrhundert (bis 1914) im Mittelpunkt der Kritik stand. Behschnitt versucht diesem Dilemma mit theoretischen Ansätzen aus der internationalen komparativen Nationalismus-Forschung Herr zu werden, wobei er sich vor allem auf die anregenden und vielfach grundlegenden Arbeiten von Karl W. Deutsch, Eugen Lemberg und Theodor Schieder2) stützt, seine Synthese allerdings von vomeherein auf die politische Ideen- und Ideologiegeschichte eingrenzt. Zwar sieht er im Nationalismus eine „spezifische Integrationsideologie“ für die Territorium, Sprache, Abstammung, Sitten, Kultur, Literatur, Religion, soziale und ökonomische Institutionen, ebenso eine Regierung, die Erinnerung an einstige historische Größe, Animosität gegenüber fremden Nationen, Hoffnung auf Machterwerb, Glaube an die Mission der eigenen Nation etc. (S. 20) konstitutiv sein können, aber er hält den Forschungsstand im sozial- und wirtschaftshistorischen Bereich - trotz guter Ansätze gerade in den 1970er Jahren - als für eine Synthese zu wenig tragfähig. Entsprechend knapp sind daher auch die beiden Kapitel zur Sozial- und Wirtschaftsstruktur sowohl Serbiens (S. 30f) als auch der kroatischen Länder (S. 36-38) ausgefallen und bedeuten daher auch Schwachpunkte dieser Arbeit3). Im Mittelpunkt der Studie steht eine Typologie des Nationalismus bei Serben und Kroaten: Von seinem primären Wirkungsbereich her unterscheidet B. zwischen ethnischem, kulturellem, politischem und ökonomischem Nationalismus, von seiner Verwirklichungsmethode her zwischen evolutionärem (auch pragmatischem und konstitutionellem) und revolutionärem (auch militantem und radikalem) Nationalismus, schließlich von der Wertigkeit für den Einzelnen ausgehend zwischen funktionellem (Nationalismus als Vehikel für andere Ziele) und integralem Nationalismus, zwischen die er — terminologisch etwas überraschend - das sogenannte „gesunde Nationalbewußtsein“ (S. 48) stellt. Um zu Typen des Nationalismus bei Serben und Kroaten zu gelangen, verbindet mm der Autor diese Kategorien mit den Zielen der serbischen und kroatischen Nationalismen und definiert folgende Gegensatzpaare: A) Serbismus - Kroatismus: Respektierung der Eigenständigkeit der anderen Nation(en); Errichtung eines souveränen Nationalstaates; allerdings Gefahr des Ausgreifens bei nicht eindeutig voneinander abgrenzbaren Großgruppen. B) Großserbismus - Großkroatismus: Gerade bei den südslawischen Nationen durch Verzahnung der Siedlungsgebiete und ethnische, sprachliche und kulturelle Verwandtschaft bedingt. Daher Integrationsversuch von Gebieten, die sowohl von Serben als auch von Kroaten (und anderen südslawischen wie nicht-südslawischen Bevöl2) Karl W. Deutsch Nationalism and Social Communication (Cambridge - London 21967); Eugen Lemberg Nationalismus, 2 Bde (Reinbek 1964); Theodor Schieder (Hg.) Sozialstruktur und Organisation europäischer Nationalbewegungen (München - Wien 1971). - Da auch Behschnitt von seinem Leser ein gewisses Vorverständnis zu seinen Typologisierungsversuchen erwartet, ist seine Kritik an Peter F. Sugar und Robert A. Kann (S. 256) etwas voreilig. 3) Zur Wirtschafts- und Sozialstruktur bei Serben und Kroaten in der Donaumonarchie vgl. neuerdings Dimitrije Djordjevic Die Serben und Arnold Suppan Die Kroaten, beide in Die Habsburgermonarchie 1848—1918 3: Die Völker des Reiches, hg. von Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch, 1. Teilband (Wien 1980) 734-774 und 626-733.