Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
SAPPER, Christian: Die Zahlamtsbücher im Hofkammerarchiv (1542–1825)
462 Literaturberichte handene - Einsicht bei der konzeptionellen Gestaltung dieses Sammelwerkes nicht in die Tat umgesetzt. Es widerspricht politischer Erfahrung ebenso wie allen Regeln historischer Hermeneutik, darauf zu vertrauen, die Richtigkeit wissenschaftlicher Aussagen werde von selbst für ihre objektive, unverfälschte Aufnahme und Weiterverwendung sorgen. Vor dieser Illusion hätte schon ein Blick auf die außerordentlich unterschiedlichen Rezeptionsbedingungen, die das „bilaterale Geschichtsbuch“ in Österreich und im „deutschdeutschen“ Bereich vorfinden wird, bewahren können. In hohem Maße öffentlichkeitswirksame und politisierungsfähige wissenschaftliche Aussagen wie die vorliegenden können tagespolitischer Zweckentfremdung nur dadurch entzogen werden, daß die Möglichkeit des Mißbrauchs von vomeherein in Konzeption und Wortlaut der betreffenden Untersuchung einkalkuliert wird. Die Ermittlung der Rezeptionsbedingungen dieses Buches, außerdem die Herstellung von Querverbindungen zwischen den zahlreichen Einzelbeiträgen und vor allem eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse wird besonders der interessierte Laie, für den dieses „Geschichtsbuch“ ja auch gedacht ist, vermissen. Derartige Kritik an der Konzeption des vorliegenden Sammelwerkes soll aber die wissenschaftliche Qualität seiner Einzelbeiträge nicht in Frage stellen. Dem „büateralen Geschichtsbuch“ ist daher weite Verbreitung zu wünschen, — und zwar in büateraler Richtung! Günter Schödl (Erlangen) Wolf Dietrich Behschnitt Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830-1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie (Südosteuropäische Arbeiten 74). R. 01- denbourg Verlag, München 1980. 423 S. Nationalismus bei Serben und Kroaten - ein schwieriges Thema der südslawischen Geschichte ob seiner starken Verflochtenheit mit südslawischer und jugoslawischer Politik, und zwar bis in die Gegenwart, vielleicht überhaupt das schwierigste Thema zur Geschichte der jugoslawischen Völker. Der aus der Kölner Schule Theodor Schieders stammende Autor erkannte diese Hypothek, wenn er in der Einleitung auf die kroatischen Ereignisse 1971, die Sprachenfrage 1966/67, die Anerkennung der Muslime Bosniens und der Herzegowina als eigenständige Nation 1968 und andere nationale Auseinandersetzungen im jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus Bezug nimmt. Und er erkannte auch die „gesellschaftliche Funktion der institutionalisierten offiziellen Historiographie“ in der „historischen Legitimation der nationalen Ziele und des nationalen Herrschaftssystems“ (S. lOf). Daß auch die heutige jugoslawische Historiographie — mit wenigen Ausnahmen — das Dilemma zwischen nationaler Frage und multinationaler Gemeinschaft noch keineswegs überwunden hat, zeigten wohl am deutlichsten die jahrelangen, zum Teil recht polemischen Auseinandersetzungen um die in 1972 in Belgrad erschienene Istorija Jugoslavije 1), wobei vor allem der Abschnitt über die *) *) Ivan Bozié - Sima Öirkovic - Milorad Ekmecic - Vladimir Dedijer Istorija Jugoslavije (Beograd 21973); vgl. vor allem die heftige Kritik kroatischer Historiker (Mirjana Gross, Jaroslav äidak u. a.) an Milorad Ekmecic.