Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte

160 Manfred Fink war die Abhaltung von Konferenzen im allgemeinen, die Veranstaltung eines Vertretertages der Vereine auf dem 5. allgemeinen Katholikentag im Konkre­ten vereinbart worden37). Warum es zu keiner innigeren Bindung zwischen den einzelnen christlichen Jugendorganisationen gekommen war, mag wohl zum Großteil auf den Widerstand der geistlichen Führer zurückzuführen sein, die ihre Vereine eher religiös denn sozial engagiert wissen wollten. Zwei Jahre später, am 6. Katholikentag (17. November 1907), hielten die christlichen Jugendorganisationen erneut einen Vertretertag unter dem ge­wählten Vorsitz von P. Gregor Gasser ab, auf dem erstmals die in den Ver­einsstatuten des „Bundes der Arbeiterjugend Österreichs“ verankerten Grundsätze offiziell Aufnahme finden sollten und beschlossen wurde, daß so­ziale Arbeit zu den „vornehmsten Aufgaben der christlichen Jugendorganisa­tionen“38) gehöre. Nach Diskussion über Organisation und Taktik wurde einstimmig der Grundsatzbeschluß gefaßt, den „Verband der christlichen Ju­gend Österreichs“, dem anzugehören Pflicht jeder christlichen Jugendorgani­sation sein würde39), zu gründen. Weiters wurden alle vertretenen Jugend- vereinigungen angewiesen, ihre freigewordenen Mitglieder der christlichen Arbeiterorganisation, insbesondere den Gewerkschaften, zuzuführen. Am außerordentlichen Verbandstag der christlichen Jugend Österreichs vom 8. September 1908 erstattete Orel den Bericht über die Kartellierung, der am selben Tag abgehaltene 6. Bundestag vollzog die Fusionierung von seiten des „Bundes der Arbeiterjugend Österreichs“ und erklärte Verein und Funktion Anton Orels als dessen Obmann für den Tag als erloschen. Die neue Einheit erhielt den Namen „Verband der christlichen Jugend Österreichs. Bund der Arbeiterjugend Österreichs. Kartellierte Verbände“40). Mit der Einigung sämtlicher christlicher Jugendvereinigungen war jedoch eine qualitative Nivellierung auf Kosten des Sozialengagements vollzogen worden. Waren in den Statuten des „Bundes der Arbeiterjugend Österreichs“ die Forderungen einer zeitgemäßen gründlichen Gewerbeschulreform, der Schutz der Lehrlinge vor Mißhandlung und Übertretung bestehender Schutzvorschriften41) erhoben worden, blieben im § 2 der Satzungen des 1908 geschaffenen Gesamtverbandes nur allgemeine Grundsätze - „Wahrung und Förderung der gemeinsamen religiösen und sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen aller verbandszugehörigen Vereinigungen und der gesamten christlichen Jugend“42) — angesprochen. 37) Einblicke in diese Vorgänge gibt eine anonym erschienene 5teilige Broschüre unter dem Titel Geschichte der christlichen Jugendbewegung (Wien 1910). 38) Die Arbeiterjugend (= AJ) 23 (1907) 181. 39) Anton Orel „Jugendpflege“ oder Jugendbewegung. Für Jugend und Jugendfüh­rer beantwortet durch die Lehren einer fünfzehnjährigen Geschichte (Wien 1921) 8. 40) Anton Orel an k. k. Ministerium des Innem, 1908 September 10: AVA MdI 15/2 ZI. 37365/1908. 41) Vgl. die abgeänderten Satzungen des Bundes der Arbeiterjugend Österreichs: Anzeige Orels an das k. k. Ministerium des Innern, 1906 Mai 22: AVA MdI 15/1 ZI. 24468/1906 in MdI 15/1 ZI. 51337/1904. 42) Satzungen des „Verbandes der christlichen Jugend Österreichs. Bund der Arbei­terjugend Österreichs. Kartellierte Verbände“: AVA MdI 15/2 ZI. 37365/1908.

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