Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte

Wiener Arbeiterjugend 1894-1914 157 Grundlage dieses Aufschwungs der böhmischen Arbeiterjugend war eine or­ganisatorische Neustrukturierung gewesen, die am 20. Oktober 1907 auf der in Königsberg a. d. Eger abgehaltenen Landeskonferenz durchgeführt wurde: Um eine engere Fühlungnahme der deutschböhmischen Jugendorganisatio­nen untereinander zu ermöglichen, war das Großgebiet Deutschböhmen in drei Kreise gegliedert worden. Der erste umfaßte das Gebiet von Asch bis Kaaden, der zweite reichte von Kaaden bis Bodenbach-Tetschen. Einen drit­ten Kreis bildete das Gebiet von Bodenbach-Tetschen bis an die östliche Grenze Deutschböhmens. Ein Landessekretariat wurde in Aussig eingerich­tet. Bis März 1909 hatte sich die Zahl der Ortsgruppen und Zahlstellen versechs­facht. Von diesen Organisationseinheiten entfielen auf den ersten Kreis (Sitz Karlsbad) 51 mit 1.876 Mitgliedern, auf den zweiten Kreis (Sitz Teplitz) 25 mit 660 und auf den dritten Kreis 27 mit 786 Mitgliedern26). Um die Kreise organisatorisch besser erfassen zu können, war im Frühjahr 1909 mit der Gründung von Bezirksorganisationen begonnen worden. Am dritten Verbandstag (April 1909) war Deutschböhmen durch 43 Delegier­te27) vertreten. (Im Vergleich dazu: Wien entsandte 30, Niederösterreich 18 Delegierte.) 1910 war über Beschluß der im März abgehaltenen Landes­konferenz der alte Agitationskreis Teplitz (1. Kreis) in drei Kreisgebiete zer­legt worden. Demnach existierten in Deutschböhmen fünf Kreisgebiete, de­ren Kreissekretariate in Karlsbad, Teplitz, Aussig, Tetschen-Bodenbach und Reichenberg lagen. Diese Kreissekretariate waren gegenüber dem Landesse­kretariat selbständig, sodaß die Landesorganisation in Aussig ihre Tätigkeit auf Administration und Koordination beschränken konnte. In Niederösterreich bestand 1909 formell noch kein Landessekretariat, ob­schon die dieses Kronland betreffenden Agenden im ersten Halbjahr 1909 zum großen Teil nicht mehr vom Verbandssekretariat durchgeführt, sondern „von dem im Juni 1908 neu reformierten Lokalausschuß“28) erledigt wurden. Die Geschäfte im Verbandssekretariat besorgte Karl Brusko. Im Einverneh­men mit den Parteiinstanzen wurde nach dem Ausscheiden Bruskos29) am 4. September 1909 Johann Svitanics ganztägig als Verbandssekretär ange­stellt. Nachdem die Agenden durch einen großen Mitgliederzuwachs im er­sten Halbjahr 1911 umfangreicher geworden waren, ermöglichte es der Par­teivorstand, daß „sich der Verbandsobmann Anton Jenschik ab 1. September 26) DJA 4 (1909) 11: Bericht der Landesvertrauensmänner (für Böhmen Rudolf Müller) am dritten Verbandstag. 27) DJA 5 (1909) 5f. ”) DJA 4 (1909) 12. 29) Karl Brusko starb am 5. Aprü 1909 an den Folgen einer Zuckerkrankheit. Als fünfzehnjähriger Bäckerlehrling gehörte er einer jener Tischgesellschaften Wiener Lehrlinge an, aus denen der im November 1894 gegründete Verein hervorging. Im 1903 gegründeten Verband hatte er die Funktion des Obmannstellvertreters bis 1907 inne. In diesem Jahr trat er als Angestellter ins Verbandssekretariat ein: DJA 5 (1909) 11.

Next

/
Thumbnails
Contents