Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte
152 Manfred Fink Die entscheidenden Impulse, die den „Verein jugendlicher Arbeiter“ um die Jahrhundertwende aus seiner ,,Bedeutungslosigkeit“ zu erlösen schienen, kamen interessanterweise vom „flachen Lande“. Anteilmäßig nur schwach vertreten — immerhin besuchten im Jahre 1893/94 in Niederösterreich nur 2.848 Schüler gewerbliche Fortbildungsschulen außerhalb Wiens5) - kamen von hier erste Anregungen für ein überregionales Engagement. Entscheidend und von äußerster Dringlichkeit mußte für dieses Vorhaben die Herausgabe eines eigenen Vereinsblattes sein. Von seiten des Wiener Vereins vor Standes wurde demnach der Versuch einer Verbandsgründung organisatorisch mit dem Erscheinen der ersten Ausgabe des Jugendliche (n) Arbeiter(s) vom Oktober 1902 abgestimmt6). Am 30. September 1902 hatten Julius Deutsch und Johann Fritz die beabsichtigte Verbandsgründung gemeldet, das k. k. Ministerium des Innern begründete mit Erlaß vom 22. Oktober 1902 die Ablehnung dahingehend, daß „die Statuten keine Bestimmungen über die Art der ersten Bildung des Vereines“ enthielten, „da der über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidende Verbandsvorstand (§ 4, P. 7) erst vom Verbandstag gewählt wird (§ 11, P. 8) und die Abhaltung desselben bereits das Vorhandensein von Mitgliedern voraussetzt“7). Ferner ließen die Bestimmungen „hinreichend bestimmte Angaben über die Rechte und Pflichten der in § 4 P. 1—4 der Statuten bezeichneten Mitglieder insoferne vermissen, als sie in mehrfacher Beziehung (§11 und § 17) die Angehörigkeit jedes dieser Mitglieder zu einer Ortsgruppe vorauszusetzen scheinen, eine zwingende Bestimmung in diese Richtung aber nicht enthalten“. Erst mit Erlaß des k. k. Ministeriums des Innern vom 31. Jänner 19038) wurde nach wiederholter Anzeige der — im Grunde unwesentlich - modifizierten Statuten die Bildung des „Verbandes der jugendlichen Arbeiter Oesterreichs“ „nicht untersagt“9). Im Schreiben des Ministeriums des Innern an die k. k. niederösterreichische Statthalterei wurde dieselbe aufgefordert, dem Vereinsproponenten zu bedeuten, „daß insoferne [nämlich im Hinblick auf den öffentlichen Gebrauch von Vereinsabzeichen und -fahnen] bestimmte Zweige der statutengemäßen Tätigkeit des Vereins besonderen Vorschriften unterliegen.“ Diese sollten von seiten der k. k. niederösterreichischen Statthalterei gegebenenfalls beobachtet werden. Ferner wurde mit der Bewilligung die Auflage verbunden, daß die Errichtung jeder einzelnen Ortsgruppe „der com5) Ebenda. 6) Vgl. die Reaktionen auf die erste Ausgabe des DJA in der Arbeiter-Zeitung 1902 Oktober 8 S. 4 und im Korrespondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands 1902 Oktober 27 S. 11. 7) K. k. Ministerium des Innern an die k. k. nö. Statthalterei, 1902 Oktober 22 (ZI. 41359/1902): Archiv der Stadt und des Landes Wien (AStLW) K. k. nö. Statthalter ei, Gelöschte Vereine: Verein der jugendlichen Arbeiter (= VJA). 8) K. k. Ministerium des Innern an die k. k. nö. Statthalterei, 1903 Jänner 31 (ZI. 4010/1903): AStLW VJA. 9) Ebenda.