Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte

Wiener Arbeiterjugend 1894—1914 153 petenten Landesstelle in Gemäßheit des § 10 des Gesetzes vom 15. November 1867, R. G. Bl. Nr. 134 anzuzeigen sein wird“10). Von seiten der k. k. niederösterreichischen Statthalterei waren noch weitere Bedingungen hinzugefügt worden. So wurde der öffentliche Gebrauch von Vereinsabzeichen oder Vereinsfahnen von einer besonderen Bewilligung ab­hängig gemacht, „welche für den Wiener Polizeirayon von der k. k. Polizei-Direktion, außerhalb dersel­ben aber von der politischen Behörde I. Instanz (Bezirkshauptmannschaft oder Magi- strath) ertheilt wird“11). Am 13. März 1903 fand die konstituierende Versammlung des „Verbandes der jugendlichen Arbeiter Oesterreichs“ statt, auf der die Verbandsleitung gewählt wurde. Der Jugendliche Arbeiter wurde zum Verbandsorgan erklärt und erschien erstmals als Nr. 4 im April 1903 als Zeitschrift des Reichsver­bandes der Vereine jugendlicher Arbeiter Oesterreichs. Die ersten Grundlagen überregionalen Engagements waren somit geschaffen worden. Wien blieb die Drehscheibe sämtlicher Verbandsaktivitäten, die Er­fahrungen, die der Wiener „Verein jugendlicher Arbeiter“ als Dach sämtli­cher Ortsgruppen und Zahlstellen im Laufe seines nunmehr neunjährigen Bestehens gesammelt hatte, sollten im überregionalen Verbandsleben den verschiedenen Landesorganisationen zugute kommen. Die ersten Solidaritätszusprüche prägten die ordentliche Verbands Vorstands­sitzung vom 28. Oktober 1903. Laibach, Johannesthal und der Reichenberger „Verein jugendlicher Arbeiter“ stellten die einstimmig angenommenen An­träge, dem Verband beizutreten. Ende April 1905 bildeten acht Ortsgruppen (Mährisch-Schönberg, CzemowitZ, Leoben, Graz, Eggenberg, Triest, Pola und Johannesthal), neun Zahlstellen (Asch, Troppau, Krakau, Przemysl, Mährisch-Trübau, Mistelbach, Muggia, Monfalcone und Görz) und vier Ver­eine (Wien: 15 Ortsgruppen; Reichenberg, Aussig und Brünn) die übergeord­nete Organisation. Mit einer durchschnittlichen Dichte von 128 Mitgliedern bei einem Gesamtmitgliederstand von .3.34812) Jugendlichen hatte der „Ver­band der jugendlichen Arbeiter Oesterreichs“ innerhalb kurzer Zeit beach­tenswerte Anerkennung gefunden. Vor allem im Zeitraum von Mai 1904 bis Aprü 1905 erfuhren die Wiener Ortsgruppen einen immensen agitatorischen Aufschwung. Das Anliegen einer Gewerbeschulreform hatte die Jugendlichen für ein Sozialengagement sensibilisiert, während auf der Gegenseite der „moralische Druck“ der Schulvorstände und Lehrherm gegenüber den Lehr­lingen spürbar lockerer wurde. Die Frage, inwieweit sich sämtliche im Verband integrierten Vereinigungen durch die Motivationsstrukturen des Wiener Vereins beeinflussen ließen, 10) Ebenda. 11) K. k. nö. Statthalterei an Johann Fritz, 1903 Februar 7: AStLW VJA. 12) DJA 6 (1905) 7. Dem Tätigkeitsbericht zufolge waren die stärksten Organisa­tionseinheiten in Wien (2.055 Mitglieder), Krakau (300), Triest (175) und Brünn (111) ansässig.

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