Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte

WIENER ARBEITERJUGEND 1894-1914 EIN BEITRAG ZU IHRER VEREINSGESCHICHTE Von Manfred Fink I. „Verein jugendlicher Arbeiter“ und „Verband der jugendlichen Arbeiter Oester­reichs“. - II. Anton Orel (S. 158). - HI. Gewerbliche Fortbildungsschule: Forderung nach Abschaffung des Nacht- und Sonntagsunterrichtes (S. 163) - IV. Conclusio (S. 168). I Im Jahre 1894 wurde auf einer informellen Versammlung von Lehrlingen die Gründung eines Vereins vorgeschlagen, der unter Wahrung des Bildungsan­spruches („Bildung macht frei“) gesellschaftsrelevante Stellungnahmen zu entwickeln und sie auch öffentlich zu vertreten imstande war. Dabei haben der jugendlichen Gedankenwelt nicht so sehr die „großen“ gesellschaftspoli­tischen Auseinandersetzungen vorgeschwebt, sondern vielmehr die der Er­wachsenenwelt entfremdeten alltäglichen „Konkret-Situationen“. Denn was dem Lohnabhängigen die Fabrik, das bedeutete den Jugendlichen der tägli­che Schulbesuch sowie die Konfrontation mit dem Lehrherrn, die nicht nur durch die ungleiche Stellung Arbeitgeber-Arbeitnehmer geprägt, sondern durch den Generationenkonflikt verstärkt wurde. Der Weg der Organisierung führte über die Gewerbeschulen. Sie boten den ansonsten eher isolierten Lehrlingen die Möglichkeit des regelmäßigen Ge­danken- und Erfahrungsaustausches und stehten gleichzeitig Ziel der Kritik dar. Denn die verstärkte Agitation, die jener Versammlung vom 3. Juni 1894 folgte, auf der ein 22gliedriges Komitee gewählt wurde, das mit den Vorar­beiten zur Gründung des Lehrlingsvereines betraut wurde, war vornehmlich in den Gewerbeschulen aufgezogen Worden. Eine Gewerbeschulreform war dabei das zentrale Anliegen der Lehrlinge. Neben der Gewerbeschulkommission, die in Rundschreiben an die Schulvor­stände forderte, dem Treiben in den Schulen ein Ende zu bereiten, waren vor allem die Gremial- und Genossenschaftsvorstände gegen die geplante Ver­einsgründung aktiv geworden. Sie waren entschlossen, die Bewegung in der Anfangsphase rigoros zu unterbinden, zumal sie durch Zirkulare an die Lehrherm die Nichtzugehörigkeit des Jugendlichen zu einem Lehrlingsverein als Bedingung für den Lehrvertrag forderten, denn durch die Vereinstätigkeit

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