Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

HEINDL, Waltraud: Universitätsreform – Gesellschaftsreform. Bemerkungen zum Plan eines „Universitätsorganisationsgesetzes“ in den Jahren 1854/55

Universitätsreform — Gesellschaftsreform 149 dinien, nach den Schlachten bei Magenta und Solferino im Sommer 1859 - eine Reihe von Studentenverbindungen außerhalb der Universität59). In Er­mangelung anderer studentischer Vertretungen duldete man es, daß diese — erstmals bei der Schillerfeier vom 7—13. November 1859 — bunt und farben­prächtig als offizielle Vertretung der Studenten in Erscheinung traten. Die von Thun geplante Umerziehung der Studenten in gute Patrioten gesamtösterreichischer Gesinnung durch die von ihm berufenen deutschen konservativ-katholischen Professoren mißlang60): Die deutschen Professoren, vor allem die der Geschichte, mit ihrem Kult des Deutschen Reiches, sollten letztlich ganz anderen Kräften als der Erziehung guter Österreicher in die Hände arbeiten. Außerdem: als sich die Studenten intensiver mit den be­wunderten deutschen Wissenschaften beschäftigten, bemerkten sie, daß diese vom Geist des Liberalismus beherrscht waren. Vor allem die Geschichte und Rechtsgeschichte erwiesen sich als zügige Instrumente der Propaganda für den Nationalstaatsgedanken des Liberalismus. Vorerst überwogen bei den Studentenverbindungen noch das liberale und großdeutsche Element. In den 60er Jahren kämpften sie gemeinsam mit den Professoren gegen den katholi­schen Charakter der Universität und stellten sich demonstrativ auf die Seite der Professoren gegen die konservativen Doktorenkollegien. Doch bald er­folgte die Spaltung und Polarisierung von liberalen und deutsch-nationalen Studenten nach dem Muster großdeutsch und kleindeutsch, die dann eine Radikalisierung der deutschnationalen Studenten nach sich zogen61), deren bekannte, für den österreichischen Staatsgedanken verhängnisvolle Konse­quenzen - paradoxerweise gegenteilig zum ursprünglich von Thun geplanten Ziel der Studentenerziehung - noch in der Rolle, die diese Studenten in der Ersten Republik spielten, zu spüren waren. 59) Dazu Gernot Stimmer Die Mythologisierung der Revolution von 1848 in Stu­dent und Hochschule im 19. Jahrhundert (wie Anm. 2) 271-281. 60) Lhotsky Das Ende des Josephinismus 546-549. 61) Dazu vor allem Stimmer Mythologisierung 271-281.

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