Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
HEINDL, Waltraud: Universitätsreform – Gesellschaftsreform. Bemerkungen zum Plan eines „Universitätsorganisationsgesetzes“ in den Jahren 1854/55
Universitätsreform — Gesellschaftsreform 143 war den an der Universität lehrenden Dozenten, Lehrbeauftragten und Assistenten in gewissem Maße die Möglichkeit einer Vertretung in den Gremien der Universität gegeben. Diese Vorschläge riefen in der Ministerkonferenz einen Sturm der Entrüstung hervor und provozierten sofortige Gegenvorschläge29). Die Kontrahenten des Unterrichtsministers waren in erster Linie Innenminister Alexander Freiherr von Bach und Justizminister Karl Ritter von Krauß. Finanzminister Andreas Freiherr von Baumgartner, gleichzeitig Professor für Physik an der Universität Wien, Rektor im Jahr 1849 und Präsident der Akademie der Wissenschaften, der bei der Reform der Universitätsstudien der eigentliche Gegner Thuns gewesen war30), votierte - nicht unverständlicherweise - für die Machterweiterung der Professoren und damit in diesem Fall für Thuns Entwurf. Alexander von Bach dagegen, der, wenn er auch seiner „Barrikadenzeit“ während der Revolution abgeschworen hatte, als der große Reformer bezüglich des Verwaltungs- und Rechtswesens gilt31) und für die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur zahlreiche Maßnahmen durchgesetzt hatte, trat - und dies ist erstaunlich — hinsichtlich der Reform der Organisation der Universität für eine Rückkehr zu den vormärzlichen Verhältnissen ein, an seiner Seite der ebenso reformerisch eingestellte Justizminister Krauß32). In dem von beiden Unterzeichneten „Gegenvorschlag“33) schlugen sie die strikte Teilung der Universität in „Lehranstalt“ und „Korporation“ vor, so wie es bis 1848/49 üblich gewesen war. Die Lehranstalt sollte von den Professoren unter Leitung eines staatlich bestellten Studiendirektors „bestimmt“ werden, die Korporation von den Doktoren, denen wieder die Verwaltung (und damit die Herrschaft) anzuvertrauen sei. Bezüglich der Entmachtung der Professoren gingen Bach und Krauß noch einen Schritt weiter: Die Professoren sollten nur dann Mitglieder des Doktorenkollegiums und damit der Fakultät Stimmung sich einen solchen Ausschluß zu verschaffen, geschähe dies durch Wahl oder Ernennung. Geschieht es durch Wahl, so kann man sicher sein, daß, solange noch ein Rest von Animosität vorhanden ist, die Hartnäckigsten und der Regierung Unliebsamsten gewählt werden, geschieht es durch Ernennung, so ist erstens die Unzufriedenheit zweifellos, und zweitens müßte die Regierung doch darauf gefaßt sein, daß eben die Ernannten, um sich als wirkliche Träger der Rechte der Doktoren zu erweisen, über kurz oder lang umschlügen und geradeso hartnäckig würden wie diejenigen, die vermieden werden wollten“: Motivenbericht Thuns (wie Anm. 9). 29) Siehe MK von 1854 Dezember 5, 12, 16 und 19 und 1855 Januar 13 (wie Anm. 9) sowie Gegenbemerkungen Bachs und Krauß’ (wie Anm. 24). 30) Lentze Universitätsreform 217-225; dsbe Andreas Freiherr v. Baumgartner und die Thunsche Studienreform in Anzeiger der philosophisch-historischen Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften 11 (1959) 161-179. 31) Waltraud Heindl Einleitung zu Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867 Abteüung III: Das Ministerium Buol-Schauenstein 2: 15. März 1853 - 9. Oktober 1853 (Wien 1979) XXVII-LVII; zu Bach Hans Loew Alexander Freiherr v. Bach (phil. Diss. Wien 1947). 32) Zu Karl Krauß Lorenz Mikoletzky Karl Freiherr von Krauß (1789-1881). Die Stellung eines österreichischen Staatsmannes zur Innenpolitik seiner Zeit in Österreich in Geschichte und Literatur 14/2 (1970) 57-71. 33) Gegenbemerkungen Bachs (wie Anm. 24).