Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
HEINDL, Waltraud: Universitätsreform – Gesellschaftsreform. Bemerkungen zum Plan eines „Universitätsorganisationsgesetzes“ in den Jahren 1854/55
140 Waltraud Heindl tat Wien ein, das im Dezember 1854/Januar 1855 in der Ministerkonferenz diskutiert wurde. Darin wurden wichtige, vom „Provisorischen Gesetz für die Akademischen Behörden“ abweichende Bestimmungen vorgeschlagen19). Zunächst wurde die Zusammensetzung der Fakultät geändert, die sich nach dem Entwurf nur aus Professoren und Doktoren zusammensetzte (die Mitgliedschaft der Studenten wurde eliminiert), die einander gleichwertig gegenüberstanden (§ 2). § 3 entkräftete jedoch sofort diese Gleichstellung dadurch, daß die Kompetenzen von Professoren und Doktoren gegenüber dem Gesetz von 1849 deutlich zugunsten der Professoren abgegrenzt wurden: Die Leitung der Fakultäten wurde genauer geregelt und einem Ausschuß zugewiesen, der aus den ordentlichen Professoren und so vielen außerordentlichen Professoren bestehen sollte, daß deren Zahl die Hälfte der ordentlichen nicht überstieg, ferner aus „einigen inkorporierten Doktoren“, welche entweder „das Lehramt erfolgreich“ versahen oder sich durch andere wissenschaftliche Leistungen auszeichneten. Dies bedeutete, daß alle universitätsfremden, nicht mit der Wissenschaft befaßten Personen künftig von den Fakultäten ausgeschlossen werden sollten. Eine Verstärkung dieser Tendenz büdete § 5, der für jede Fakultät eine Plenarversammlung vorsah, die vom Dekan, dessen Wahl vom Unterrichtsministerium zu bestätigen wäre, präsidiert werden (§ 8) und folgende Funktionen ausüben sollte: 1. die Wahl der Beamten für die Geschäfte der Fakultät als Korporation, 2. die Verwaltung des Vermögens der Fakultät und ihrer Stiftungen, 3. die Vergabe von Stiftungen und Stipendien, 4. die Fassung von Beschlüssen, die die Fakultät als Korporation betrafen. Angesichts der vorgesehenen Zusammensetzung wird deutlich, daß die Leitung der Fakultät ganz den Doktoren entzogen und den Professoren zugewiesen werden sollte. Ein weiterer wichtiger Punkt, der eine Veränderung gegenüber dem provisorischen Gesetz von 1849 darstellte, betraf die Gesamtleitung der Universität, die nun einem Konsistorium (Akademischen Senat) zugewiesen wurde (§ 13), das aus dem Rektor, dem Kanzler, den vier Dekanen, den vier Prodekanen und den vier Senioren (die jeweils aus den Reihen der „Erfahrensten“ einer Fakultät zu wählen wären) bestehen sollte (§ 14). Keine Rede war mehr, wie wir sehen, von einer Mitgliedschaft der Doktorenkollegien oder wenigstens von Repräsentanten der Doktoren. Der Rektor, wie bisher an der Spitze des Konsistoriums und damit der Universität, sollte alle drei Jahre nach dem Turnus der Fakultäten aus der Mitte der Fakultät ein Jahr vor seinem Amtsantritt vom Akademischen Senat gewählt werden. Seine Wahl unterlag laut Entwurf der Bestätigung des Kaisers 19) MK von 1854 Dezember 5, 12, 16 und 19 und 1855 Januar 13 (wie Anm. 9) und „Entwurf für die Grundzüge über die statutarische Verfassung der Wiener Universität“, s. d., als Beilage ebenda. Der Entwurf wird publiziert in Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867 in/3 (wie Anm. 9).