Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)
DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites
Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf 27 die Regulierung eine „Fehlgründung“ hätte eingestehen müssen97). In einer Anpassung an geänderte Verhältnisse lag im Bewußtsein der Zeitgenossen offenbar nichts Ehrenrühriges 98). Über das Ob einer vorbabenbergischen (Burg-)siedlung in Klosterneuburg besteht im allgemeinen positive Übereinstimmung, über das Wie und Wer divergieren die Meinungen, doch soll diese Frage hier nicht diskutiert werden99). Allem Anschein nach ist die Grundsteinlegung zur neuen Stiftskirche am 12. Juni 1114 (1113?) mit allem erdenklichen Prunk im Rahmen eines aufwendigen Festes erfolgt; zwei Menschenalter nach dem Ereignis bemerkt ein Chronist beifällig, daß dabei der markgräfliche Laie dem clericus den Vorrang eingeräumt habe - ganz im Sinne der anfangs zitierten Ausführungen des Honorius Augustodunensis: Innerhalb der gleichen sozialen Schicht gebühre der Vorrang dem Kleriker100). Als Symbol des zu errichtenden Gebäudes und der in ihm wohnenden Gemeinschaft diente offenbar eine Kreuzreliquie; vielleicht war sie von Teilnehmern an jener Kreuzfahrt mitgebracht worden, auf der die Mutter des Markgrafen den Tod gefunden hat. Es scheint nun so, daß der Babenberger und hervorragende Leute aus seiner Umgebung anläßlich der Grundsteinlegung symbolisch auf die Kreuzreliquie Besitzübertragungen vorgenommen haben101). Einer solchen wollen wir uns im folgenden zuwenden: Im Jahr 1114 überab in Gegenwart des Markgrafen Leopold der Burggraf Erchenbert von Gars an die Kreuzreliquie der Kirche von Neuburg das Dorf des Wieland (Wielensdorf) mit allem Zubehör und zehn Hörigen; das geschah mit Einwilligung (oder auf Willen?) seines Verwandten Hosirich, dem diese Liegenschaften mit ihren Pertinenzen gehörten. Zeugen waren Anshalm von Brunn, Adalold von Tautendorf (?), Ulrich von Gobelsburg, dessen miles Dietmar, Wolfker von Schwechat, Wieland von Hennersdorf, die Brüder Rupert und Heimo, Rüdiger von Sittendorf, Hugo von Lees- dorf, Erchenger, der Bruder des Pabo102). 97) Dieses Argument gebraucht Wolf Klosterneuburg 96f; meine ähnliche Auffassung (Babenberger-Studien 157) halte ich nicht mehr aufrecht. 98) Vgl. die Beiträge von Willibrord Neumüller (Zur Benediktinerreform des heiligen Altmann), Karl Rehberger (Altmann und die Chorherren) und Josef Wodka (Altmann und der Ausbau des Passauer Bistums in Österreich) in Der heilige Altmann, Bischof von Passau (Göttweig 1965) 16—22, 34-38, 48—57. ") Vgl. dazu demnächst den Bericht über das Ergebnis der letzten Grabungen von Hans Ubl im Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg 12 (1982). i°°) Vgl. oben Anm. 3. Eine Unstimmigkeit der Datierung bringt zunächst die Indiktionsangabe: Die 5. Indiktion fällt in das Jahr 1113 (bis 24. September), doch sind in den gleichzeitigen Klosterneuburger Quellen alle Indiktionsangaben um ein Jahr zu spät angegeben; es dürfte sich also vielleicht um einen allgemeinen Berechnungsfehler handeln. Zum Jahr 1111 erscheint die Nachricht in einer Reichersberger Quelle (MG SS 17 451), wofür sich plausible Gründe finden lassen; vgl. (ablehnend) Wolf Klosterneuburg 87. 101) Vgl. (ohne Vollständigkeit zu beabsichtigen) die Notizen von fol. 11 sq (FRA 2/4 nn. 145 sqq) im Klosterneuburger Traditionscodex. 102) FRA 2/4 n. 149; BUB 4/1 n. 614; nach dem Text der Edition („. . . villam Wei- landi cum omnibus ad illam pertinentibus nec non mancipia X Radelhohuen potenti manu . . . tradidit . . .“) wurde bisher mitunter vermutet, es sei noch ein Ort Radelhof