Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

Ausländische Präsenz in Österreich 1922-1926 315 Zimmerman auf seiner Forderung der Sprachkenntnis beharrte, schied Paget aus der Reihe der Kandidaten aus110). Inzwischen hatte Salter über einen anderen Kandidaten Erkundigungen ein­gezogen, nämlich über William Acworth, eine der größten Eisenbahnautori­täten der Welt. Von ihm waren einige Standardwerke auf diesem Gebiet er­schienen, und er hatte die erforderlichen Erfahrungen als Regierungsberater in Eisenbahnangelegenheiten in Kanada, Rhodesien und Indien gewonnen. Ursprünglich war er Rechtsanwalt, hatte aber bald seine Aufmerksamkeit wirtschaftlichen Fragen und Verkehrssituationen gewidmet. Während eines langen Studienaufenthaltes in Berlin war er einer der Lehrer des späteren Kaisers Wilhelm II. gewesen111). Er sprach zwar deutsch, war aber noch nie in der Führung eines Eisenbahnbetriebes tätig gewesen. Deshalb sollte er von einer Person, die über lange praktische Erfahrung verfügte, begleitet wer­den112). Acworth erklärte sich bereit, das Amt zu übernehmen; als Assisten­ten hätte er einen Mann aus der Praxis des englischen Transportministeriums bevorzugt. Das Ministerium hingegen gestattete nicht, daß dessen Name in einem Bericht erwähnt würde, da imbekannt bleiben müsse, daß ein Beamter des Ministeriums etwas mit der Angelegenheit zu tun habe. Dies wollte wie­derum Zimmerman nicht akzeptieren, doch hatte Acworth wenig Vertrauen in andere englische Spezialisten: „They know so little of foreign languages, methods and habits of thought, are so steeped in English practice, and so convinced that English practice must be right for everyone everywhere, that their views on a foreign railway would be very doubtful“113). Dennoch strebte Zimmerman immer noch ein Duumvirat an, schon deshalb, weil Ac­worth bereits 73 Jahre alt war. Salter aber konnte in England niemanden finden, mit dem Acworth zusammenzuarbeiten bereit war. So konnte Zim­merman nur hoffen, daß er in der Schweiz mehr Erfolg haben würde: „J’ai pensé qu’un Suisse pourrait étre spécialement adapté ä ce poste. Non seule- ment PAllemand lui serait familier, mais en outre il aurait une connaissance des problémes ferroviaires, tels qu’ils se présentent en Europe Central, et spécialement des questions de chemins de fers en régions montagneuses et de l’électrification“114). Schließlich wurde der Direktor der Eisenbahnabteilung des schweizerischen Verkehrs- und Femmeldeministeriums, Robert Herold, als zweiter Mann in Aussicht genommen115). Ende März 1923 kam Acworth in Wien an, im August reichte er den von ihm 110) C52 11/3: Kienböck an Zimmerman, 1923 Februar 10; Telegramm Salters an Zimmerman, 1923 Februar 23, 25 und 27; Salter an Zimmerman, 1923 März 3. ln) Neue Freie Presse/Morgenblatt 1923 Mai 22. n2) C52 11/3: Salter an Zimmerman, 1923 März 3; Unterredung Zimmermans mit Kienböck, 1923 März 16. 113) C52 11/3: Brooke an Salter, 1923 Aprü 18. 114) C52 11/3: Zimmerman an Haab, 1923 Mai 11. lls) C52 11/3: Zimmerman an Acworth, 1923 Mai 29.

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