Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

306 Jac Bosnians Verantwortlichkeit dem Ausland gegenüber, so teilte Zimmerman dem Mini­ster mit, verlange, daß die Unterstützung aus der Anleihe nur einen Teil der Förderungsaktion umfasse. Die bereits zur Verfügung gestellten Mittel, er­weitert um die Beträge, die die Großbanken selbst hinzugefügt hatten, büde- ten eine so bedeutende Summe, daß man der Liquidierung derselben nicht ohne Besorgnis entgegensehen könne. Er wollte sich wohl noch einmal daran beteiligen, wenn dies das Ende der Aktion bedeuten würde, doch könne ihm dies niemand garantieren. Deshalb lasse er sich nicht überreden, auch wenn eine Ablehnung das Ende der Regierung bedeuten würde und obwohl Präsi­dent Reisch mit seinem Rücktritt drohe; die Österreicher sollten den Gouver­neur der Bank von England fragen, was dieser davon halte71). Daraufhin te­legrafierte Reisch an Norman, daß seines Erachtens eine weitere Freigabe von Mitteln durch den Generalkommissär einer Erhöhung des Diskontsatzes, welche zweifellos eine Panik auf der Börse auslösen würde, vorzuziehen sei72). Zur gleichen Zeit legte Zimmerman dem Gouverneur Bedenken gegen eine weitere Teilnahme an der Aktion vor73). Seine Intervention war jedoch überflüssig. Die Politik, die Reisch verteidigte, lief den Theorien, die in Lon­don kursierten, zuwider. In der englischen Bankwelt hielt man gerade eine Erhöhung des Diskontsatzes für notwendig. Das Herunterdrücken des Dis­kontsatzes (9%) erkläre - so war dort die gängige Meinung - einen wesentli­chen Teil der Auswüchse der Spekulation; dieserart sei es ja für die österrei­chischen Banken attraktiv geworden, das bei der Nationalbank aufgenom- mene Geld Spekulanten zu leihen, die bereit waren, Bedingungen unter der Garantie eines hohen Gewinnes zu unterschreiben. Auch ohne Zimmermans Bedenken hätte Norman also Reisch empfohlen, die Nationalbank solle der bedrohlichen Lage mit einer Erhöhung des Diskontsatzes und mit einer ver­schärften Aufsicht über die Krediterteilung begegnen; aus englischer Sicht waren dies wirksamere Mittel gegen Spekulation als eine Hilfeleistung, die die Inflation herbeiführen konnte74). Von diesem Augenblick an lag jede Ini­tiative in London, Zimmerman trat in den Hintergrund. Der Gouverneur der Bank von England sollte in naher Zukunft die Unterstützungsaktion sehr heftig kritisieren, ohne dabei den Namen Zimmermans auch nur zu erwäh­nen. Diese ablehnende Haltung hatte Norman schon im April eingenommen. Als die österreichische Regierung sich zum dritten Mal an Zimmerman wandte, bemerkte dieser denn auch: „Schon jetzt habe ich Ursache zu glau­ben, daß das bis jetzt Geschehene in anderen Zentren verschiedene Beurtei­lung erfährt“75). Dies war der eigentliche Grund, weshalb Zimmerman seine Mitarbeit verweigerte und Norman hinter dem Rücken der Österreicher bat, 71) Cll 5/3a-2: Zimmerman an Kienböck, 1924 Mail; S110 2/19/1: Quesnay an Salter, 1924 Mai 3. 72) Cll 5/3a-2: Telegramm Reischs an Norman, 1924 Mai 2. 73) Cll 5/3a-2: Telegramm Zimmermans an Norman, 1924 Mai 3. 74) Cll 5/3a-2: Telegramm Normans an Zimmerman, 1924 Mai 7. 75) Cll 5/3a-2: Zimmerman an Kienböck, 1924 Mai 1.

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