Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

Ausländische Präsenz in Österreich 1922—1926 303 sächlich auf einen Termin verpflichtet hat, ist nicht klar; jedenfalls hatte er dafür wohl die Zustimmung Londons 5S). Damit war der Widerstand der Österreicher gebrochen, und die Ernennung Schnyders schien so gut wie sicher. Dennoch mußte man noch einige Schwie­rigkeiten überwinden. Schnyder bekam Probleme mit seiner Regierung über die Ausübung seines Amtes in Bern, doch vermochte sie Zimmerman auf eine für Schnyder befriedigende Weise zu lösen56). Einen Aspekt dieser Angelegenheit haben wir bisher außer Betracht gelassen, nämlich die Reaktion Italiens. Wie bei der Ernennung des Präsidenten sträubte sich Italien auch jetzt gegen die ausländische Einmischung mittels der Person des Beraters. Österreich solle demnach ein freies Land bleiben und dürfe nicht unter zweifache Kontrolle geraten, sonst werde es ebenso wie die Türkei oder Persien ein Freimarkt für die finanziellen Interessen ver­schiedener Länder und Quelle der Ausbeutung durch die ausländischen Ka­pitalisten57). Diese Haltung Italiens gründete sich auf Argwohn. Der Berater könnte vielleicht ein spezielles Hindernis für die italienischen Bestrebungen werden, eine führende Rolle in Österreich zu spielen58). Es besteht daher Grund für die Annahme, daß der Abgeordnete der italienischen Aktionäre, Mylius, in der Vollversammlung der Nationalbank am 13. April 1923 im Auf­trag Roms gegen den Vorschlag zur Änderung der Satzungen stimmte. Pantaleoni, der diesmal mehr im Namen seiner Regierung denn als Vorsit­zender des Kontrollkomitees sprach, teilte Zimmerman Ende März den ita­lienischen Standpunkt mit: Der neue Kredit habe nichts mit der Gründung der Bank zu tun, und die ausländischen Geldleiher, deren Forderungen be­reits völlig abgetragen worden .wären, hätten nicht das Recht, eine zentrale Organisation der österreichischen Wirtschaft für sich in Anspruch zu neh­men59). Zimmerman drängte nun bei Niemeyer auf eine offizielle Erklärung, daß die Ernennung des Beraters eine absolute Bedingung der City von Lon­don sei60), und diese Erklärung wurde auch gegeben. Daraufhin stellte die italienische Regierung nach außen hin ihre Versuche, diese Angelegenheit scheitern zu lassen, ein, trieb aber hinterrücks ihr Spiel weiter. Mussolini sprach sich gegen die Person Schnyders aus, da dieser Italien feindlich ge­55) C7 5/2-2: Niemeyer an Kienböck, 1923 Februar 19, und an Zimmerman, 1923 Februar 21. 56) C7 5/2—2: Schnyder an Zimmerman, 1923 Februar 23, und Grünberger an Zim­merman, 1923 Februar 27; Unterredung Zimmermans mit Kienböck, 1923 Februar 28; Zimmerman an Motta, 1923 März 14; Drummond an Motta, 1923 März 14; Motta an Zimmerman, 1923 März 19; Schnyder an Zimmerman, 1923 März 21 und Mai 6; Zim­merman an Panhuys, 1923 Mai 9; Telegramm Panhuys’ an Zimmerman, 1923 Mai 18; Telegramm Schnyders an Zimmerman, 1923 Mai 18; C9 5/2c: Schnyder an Zimmer­man, 1923 August 16. 57) HHStA NP A 347, Liasse Österreich 8/IV, Notiz. 58) S109 2/4/2: Zimmerman an Salter, 1923 März 27. 59) C7 5/2-2: Pantaleoni an Zimmerman, 1923 März 31. 60) C7 5/2-2: Telegramm Zimmermans an Niemeyer, 1923 April 4.

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