Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

298 Jac Bosmans Bereits am 5. Januar hatte Janssen einen ersten Entwurf angefertigt. Dieser zeichnete sich zwar durch Einfachheit aus, enthielt hingegen kaum eine Be­schreib ung der Befugnisse des Bankexperten35). Zimmermans Vorschlag wich in mancher Hinsicht davon ab und war auch viel konkreter. Der Bankex­perte (mit dem Titel eines Kommissärs) müsse ein Mann von hohem Ansehen in der internationalen Finanzwelt sein; der vom österreichischen Staatsober­haupt - Janssen schlug den Völkerbundsrat vor — auf Antrag des General­kommissärs ernannt werde. Zu seinen Aufgaben gehöre die Kontrolle der Bankverwaltung. Alle Bankangestellten seien verpflichtet, ihm die ge­wünschten Auskünfte zu erteilen. Der Generaldirektor müsse von jedem Be­richt an den Präsidenten dem Kommissär ein Exemplar aushändigen und ihn und den Präsidenten über alle Vorschläge des Direktoriums an den Bankrat informieren. Außerdem forderte Zimmerman, daß der Kommissär zu jeder Vollversammlung und jeder Sitzung des Rates und des Direktoriums Zutritt habe. Sei er anwesend, müßten die Protokolle auch von ihm genehmigt wer­den. Weiters sollten ihm alle Möglichkeiten offenstehen, Versammlungen ein­zuberufen. Zimmerman wollte ihm auch gegen die Beschlüsse der Vollver­sammlung, des Rates und des Direktoriums das Vetorecht verleihen. Mache er davon Gebrauch, so entscheide in diesem Falle der Generalkommissär, und wenn dieser sich für nicht zuständig erkläre, der Völkerbundsrat. Der Kommissär sei befugt, eine Entscheidung außer Kraft zu setzen und Be­schlüsse für vorläufig unwirksam zu erklären. Die Amtszeit entspreche, dem Vorschlag Janssens gemäß, jener des Generalkommissärs36). Beide Entwürfe bildeten das Gesprächsthema bei einer Unterredung des Fi­nanzministers Kienböck mit dem Generalkommissär und Janssen. Der Mini­ster erbat sich die Abänderung einiger Punkte. So wurde als dritte Möglich­keit erwogen, daß der Generalkommissär selbst die Ernennung vornehmen würde. Was die Informationspflicht anbelangt, waren Zimmerman und Jans­sen mit der Formulierung einverstanden, daß jeder Kontakt des Kommissärs mit den Beamten über die Direktion gehen und der Kommissär die Direktion von seinen Schritten auf dem laufenden halten werde. Das Vetorecht, das für Kienböck unerwünscht war, wurde dermaßen abgeändert, daß der Kommis­sär sich dessen nur bedienen konnte, wenn die Entscheidungen seiner Mei­nung nach die Durchführung des Grundgedankens der Genfer Protokolle ge­fährdeten. Die Möglichkeit, daß der Völkerbundsrat in diesen Fällen die Ent­scheidung treffe, wurde ausgeklammert, da andernfalls große Verzögerungen in Bankgeschäften zu befürchten waren. Die Amtszeit des Kommissärs wollte Kienböck auf ein Jahr beschränken, aber Zimmerman und Janssen erklärten ihm, daß von dieser Frist nur bei der Ernennung des Präsidenten die Rede gewesen sei und daß sie sich auf diesen Fall nicht anwenden lasse. Damit man jedoch die Änderung der Satzungen in Österreich akzeptiere, trügen sie 35) C7 5/2-2: Iiére proposition, rédigé par M. Janssen. Titre XV: Disposition Transis- toire, 1923 Januar 5. 36) C7 5/2-2: Propositions du Commissaire Général, 1923 Januar 6.

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