Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

Ausländische Präsenz in Österreich 1922-1926 293 für diejenigen, die mit ihm zusammenarbeiteten und in seinem Namen au­ßerhalb Englands als Vertrauensleute auftraten. Zu diesen gehörten nicht nur Mitglieder des Finanzkomitees, wie Sir Otto Niemeyer vom englischen Finanzministerium und Henry Strakosch, Finanzberater der südafrikani­schen Regierung, sondern auch Zimmerman. In Österreich arbeitete er in fast absolutem Einklang mit Norman, besonders was die Nationalbank anbelang­te14). n/i Die Geschehnisse in bezug auf die Ernennung des Präsidenten der National­bank verschaffen uns einen aufschlußreichen Einblick in die Beziehung zwi­schen Zimmerman und Norman. Nachdem man sich seit dem Ende des Welt­krieges bereits einige Male vergebens bemüht hatte, die Nationalbank zu gründen, verfügten die Genfer Protokolle, daß es jetzt zur Gründung kom­men müsse. Schon von der Provisorischen Delegation erhielt die österreichi­sche Regierung im Herbst 1922 den eindringlichen Rat, einen Ausländer zum Präsidenten zu ernennen. Ihrer Meinung nach würde das den Verhandlungen über die Anleihe Vorschub leisten und würde die Finanzmärkte davon über­zeugen, daß die inflationsfördernde Politik der Vergangenheit angehöre und die Zentralbank mit ihrer Finanzpolitik die Versuche der Regierung, die Fi­nanzlage wieder zu beleben, unterstütze15). Oft wurden in diesem Zusam­menhang in englischen und französischen Bankierskreisen der Name Albert Janssen, Vorsitzender der Provisorischen Delegation und Direktor der belgi­schen Nationalen Bank, und der Name Gerard Vissering, Präsident der Ne- derlandsche Bank genannt16). Bei solchen Ernennungen waren jedoch große Schwierigkeiten zu erwarten: Sie würden nicht nur in Österreich zu politi­schen Problemen führen, da Italien gefordert hatte, daß imbedingt ein Italie­ner gewählt werden müsse, wenn das Amt einem Ausländer zufalle. Musso­lini fürchtete, daß man Italien in dem Sanierungswerk die Rolle eines Außen­seiters spielen lassen wolle; schon am 29. November hatte er der österreichi­schen Regierung das Angebot gemächt, ihr sofort einen Kredit zu verschaffen im Tausch gegen „a position of pre-eminence in the control of her finances“17). Derjenige, der am heftigsten auf die Ernennung eines Ausländers drängte, war der Gouverneur der Bank von England. Dadurch, daß er Druck auf österreichische Bankiers ausübte, die den Hauptanteil des Anfangskapitals der neuen Bank zusammenbringen sollten, hoffte Norman seinen Willen 14) In der offiziellen Geschichte der Nationalbank von Siegfried Pressburger österreichische Notenbank 1816-1966. Geschichte des österreichischen Noteninstituts (Wien 1966) erfährt man über den „Londoner“ Einfluß nichts. ls) Quatriéme Rapport du Commissaire Général de la Société des Nations pour l’Autriche. Période du 15 mars au 15 avril 1923, S. 2. 16) AVA MRP n. 248, 1922 Dezember 11 (liegt bei n. 235, 1922 Oktober 20). 17) Alan Cassels Mussolini’s early diplomacy (Princeton 1970) 70.

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