Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

292 Jac Bosmans unternommen, trotz der Tatsache, daß der Generalkommissär seit dem Som­mer 1923 nur noch an das Pflichtgefühl der Regierung appellieren konnte. Zwar verstärkte das Abkommen vom September 1924 für den Generalkom­missär die Möglichkeit, moralischen Druck auszuüben, — und zwar dadurch, daß entgegen den Bestimmungen der Protokolle erklärt wurde, die Kontrolle werde erst dann aufgehoben, wenn unter anderem die wirtschaftliche Lage Vertrauen erwecke; und da der Völkerbundsrat sich in Entscheidungen mei­stens dem Urteil des Generalkommissärs anschloß, war es nur dieser, der die in Österreich ersehnte Entscheidung über die Aufhebung der Kontrolle her­beiführen und so auf die Regierung Druck ausüben konnte. Aber auch dieses Vorgehen steigerte bei alledem nur in geringem Maße die Position des Gene­ralkommissärs. Die Ansicht von Karl Ausch, daß Zimmerman „die entschei­dende Persönlichkeit [war], die auf Österreichs Finanzen und damit natürlich auch auf die österreichische Politik einen maßgebenden Einfluß hatte“12), stützt sich - ebenso wie die Auffassung Karl Bachingers und Herbert Matis’, daß Zimmerman „für dreieinhalb Jahre zum mächtigsten Mann in Öster­reich“ wurde13) - also nur auf die theoretische Konstruktion der Sanierung und trifft von der Praxis her höchstens für deren erste Monate zu. Diese Entwicklung in der Machtstellung des Generalkommissärs gilt es zu berücksichtigen, wenn wir uns eingehender mit dem Einfluß des Auslands beschäftigen. Außerhalb Österreichs war die Anerkennung für Zimmerman besonders groß. In Finanzkreisen sah man in ihm den unparteiischen Beob­achter und Vertrauensmann der ausländischen Interessen. Seiner Meinung wurde mehr Wert beigemessen als den Worten österreichischer Minister und Bankiers. Als in den Jahren 1924 und 1925 einige Bundesländer auf dem aus­ländischen Kreditmarkt Anleihen auszugeben versuchten, fragten interes­sierte Bankiers Zimmerman nach seiner Meinung über die Transaktionen. In vielen Fällen war sein Urteil ausschlaggebend. Sogar für die Regierung der Vereinigten Staaten, die in jede Kreditaktion einwilligen mußte, galt Zim­mermans Zustimmung als unerläßliche Voraussetzung. Man sollte jedoch bedenken, daß das Prestige Zimmermans sich kaum auf persönliche Verdienste gründete. Der Generalkommissär war eine Institution des Völkerbundes und flößte rein deshalb schon Vertrauen ein. Außerdem verdankte er einen großen Teil seines Ansehens der Tatsache, daß der Gou­verneur der Bank von England sich als Organisator der internationalen An­leihe hinter die Völkerbundsaktion gestellt hatte. Norman hatte hohes Anse­hen und maßgebenden Einfluß, und dies galt denn in gewissem Sinne auch 12) Karl Ausch Genfer Sanierung und der 12. Februar 1934 in Ludwig Jedlicka und Rudolf Neck (Hgg.) Vom Justizpalast zum Heldenplatz. Studien und Dokumen­tationen 1927 bis 1938 (Wien 1975) 33. In seinem Buch Als die Banken fielen. Zur So­ziologie der politischen Korruption (Wien—Frankfurt-Zürich 1968) gibt Ausch diese Anschauung ausführlicher wieder. 13) Karl Bachinger und Herbert Matis Der österreichische Schilling. Geschichte einer Währung (Graz-Wien—Köln 1974) 65.

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