Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

290 Jac Bosnians gemeinsamen Lösung der Probleme bereit erklären würde. Darum setzte er alles daran, die österreichische Anleihe unterzubringen. Auf Bitte des Völ­kerbundes hin nahm er die Organisation dieser Transaktion auf sich. Um die Gemeinsamkeit bei der Aufgabe des Wiederaufbaus im Nachkriegseuropa zu betonen, wollte er die Anleihe in Tranchen aufteilen und diese in möglichst vielen Ländern unterbringen. Weil eine langfristige Anleihe zuviel Vorbereitungszeit erforderte und man Erfahrungen sammeln wollte, um den Plan Normans erfolgreich über die Bühne bringen zu können, wurde im Februar 1923 zunächst eine kurzfristige Anleihe in Höhe von 3,5 Millionen Pfund Sterling ausgeschrieben, die aus dem Ertrag der großen Anleihe zurückgezahlt werden sollte. Die Tranchen wurden in England, Frankreich, Belgien, Schweden, in der Schweiz und in den Niederlanden untergebracht. Zugleich begannen die Vorbereitungen für die große Anleihe. Außer den Re­gierungen, die die Protokolle schon unterzeichnet hatten, erklärten sich auch die Regierungen Schwedens, Belgiens, der Niederlande und Dänemarks be­reit, die Tilgung mit zu garantieren. Die totale Garantie belief sich schließ­lich auf 585 Millionen Goldkronen. Um diese Summe zusammenzubringen, wurden im Juni und Juli 1923 Tranchen in jenen Ländern zur Unterzeich­nung aufgelegt, die sich auch an der kleinen Anleihe beteiligt hatten, ferner in Italien, Österreich selbst, in der Tschechoslowakei und sogar in den Verei­nigten Staaten. Der Ertrag beider Anleihen wurde auf ein Sperrkonto bei der österreichi­schen Nationalbank zur Verwahrung gegeben; die Regierung konnte nur mit dem Gutachten des Generalkommissärs über das Geld verfügen. In Genf hatte man vorausgesehen, daß die Regierung zur Deckung des Defizits im Etat für die zwei Jahre auf diese Mittel angewiesen sein werde und deshalb auch nicht auf die Arbeit des Generalkommissärs verzichten könne. Damit dieser seine Bedingungen sofort stellen konnte, erarbeitete die Regierung je­den Monat ein Budget für den kommenden Monat, nach dem der General­kommissär bestimmte, wieviel die Regierung vom Sperrkonto abheben dürfe. Den Anweisungen der Genfer Protokolle gemäß beachtete Zimmerman bei der Beurteilung der Zahlen besonders den Stand der Durchführung des Re­formprogramms. Bald jedoch war es der Regierung möglich, den Generalkommissär als Ver­walter des Sperrkontos zu übergehen, weil die Steuern mehr einbrachten als die Provisorische Delegation beim Entwerfen des Etatschemas erwartet hat­te. Eine blühende Spekulation, zunächst mit Aktien, dann mit dem französi­schen Franc, wobei wohl jeder Österreicher etwas verdiente, hatte den Kon­sum fieberhaft ansteigen lassen. Auf den ersten Blick war die Entwicklung im Haushaltplan 1923 denn auch besonders günstig. Das monatliche Defizit blieb weit unter dem, was die Provisorische Delegation gestattet hatte. Diese Entwicklung war aber eher dem Zuwachs der Einnahmen als der Einschrän­kung der Ausgaben zu verdanken; dies bedeutete, daß das Reformprogramm

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