Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm

Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 281 Großfürstentums werde Schwedens Schutzbedürfnis immer größer. „Meiner Ansicht nach sollten wir jetzt ruhig warten, nichts überstürzen . . ,“30). Am 18. Juli 1910 begannen in Oslo die dreiwöchigen Dreiergespräche. Da sich die einzelnen Vorschläge weitgehend ähnelten, war begründete Hoff­nung vorhanden, daß endlich eine Einigung zustande kommen würde. Ge­wisse Spannungen traten jedoch durch die Haltung Rußlands auf, welches seine Idee von einer internationalen Kommission mit administrativen, judi­kativen und legislativen Vollmachten durchsetzen konnte31). Dieses Vorgehen Rußlands führte deutlich zu einer Annäherung zwischen Schweden und Norwegen, brachte aber auch die norwegische Regierung in eine schwierige Lage, als Stimmen laut wurden, Norwegen hätte Spitzbergen einfach annektieren sollen. Außenminister Taube hingegen sah sein Ansehen endlich wieder im Steigen begriffen. Er stellte in Aussicht, zwischen Norwe­gen und Rußland vermitteln zu wollen, ließ jedoch keinen Zweifel offen, daß er den legitimen Ansprüchen Norwegens auf Spitzbergen „weitest“ entge- genkommen werde. Dumba war darüber sehr befriedigt, - Rußland sei nicht mehr in der Lage, die beiden skandinavischen Mächte gegeneinander auszuspielen. Taube habe sogar zugestimmt, im Falle eines Scheitems der Dreiergespräche die ur­sprünglichen norwegischen Vorschläge anzunehmen, wenn eine internatio­nale Konferenz nur an einem neutralen Ort stattfinde. „Einzig greifbares Er­gebnis“ schien für Dumba .. . „ein erhöhtes Mißtrauen der beiden skandina­vischen Mächte gegenüber den imperialistischen Allüren Rußlands und als nächste Folge ein Näherrücken derselben an den Dreibund“ 32). Im August begannen wirklich geheime Kontakte zwischen Schweden und Deutschland, um, wie sich Taube ausdrückte, „sich über die wirksamste Art eines eventuellen militärischen Zusammenwirkens im Falle eines Angriffes auf Schweden von Osten her zu verständigen“. Dumba hatte jedoch Taube richtig eingeschätzt, denn dieser betonte in Berlin nachdrücklich, die militä­rischen Unterredungen dürften in keiner Weise die außenpolitische Bewe­gungsfreiheit Schwedens einschränken33). Im selben Monat noch reiste Dumba nach Oslo, wo er die Gastfreundschaft des dortigen russischen Gesandten Anatol Krupenski genoß, der neben Boris Nolde zur russischen Verhandlungsdelegation gehört hatte. Das Zusammen­treffen mit seinem russischen „Freund“ gab Dumba endlich Gelegenheit, au­thentische Ansichten der „Gegenseite“ zu erfahren, und Krupenski war in dieser Hinsicht nicht zurückhaltend. Dieser zeigte offen seine Genugtuung, 30) Dumba an Aehrenthal, streng vertraulicher Privatbrief, 1910 Juli 8 Stockholm: ebenda. 31) Mathisen Svalbard 117. 32) Dumba an Aehrenthal, vertraulicher Bericht 22, 1910 August 5 Stockholm: HHStA GSt 154. 33) W. M. Carlgren Neutralität oder Allianz. Deutschlands Beziehungen zu Schweden in den Anfangsjahren des ersten Weltkrieges (Stockholm Studies in History 6, Stockholm 1962) 12 f.

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