Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm

280 Gerhard Wanner Pückler sei daher beauftragt worden, sich dem Grafen Taube gegenüber die „größte Zurückhaltung aufzuerlegen und das leidige Thema [Spitzbergen] aus eigenem Antrieb nicht zu berühren“. Falls aber Taube die Initiative hiezu ergreife, solle Pückler ihm „ganz allgemein zur Versöhnlichkeit ra- then“29). Im Juli 1910 ergriff Taube endlich die „Initiative“, wobei jedoch Pückler recht kräftig mithalf. Anlaß war der Besuch von 16 Chefredakteuren der be­deutendsten deutschen Zeitungen gewesen. Offizielle Empfänge, eine Einla­dung des schwedischen Königs Gustaf und ein Dinner bei Grafen Pückler ge­stalteten den Aufenthalt der Deutschen in Schweden „überaus warm“ und trugen laut Dumba „auf rein politischem Felde Früchte“. Die Folge des rus­sischen Doppelspiels sei eine gereizte Stimmung im schwedischen Auswärti­gen Amt mit der logischen Reflexwirkung eines lebhaften Bedürfnisses der Annäherung an Deutschland. Auch Dumba war bei Pücklers Empfang anwesend und erlebte, wie der deut­sche Gesandte mit Taube „sehr warme Trinksprüche“ austauschte und der Außenminister einen „nahen kulturellen und wirtschaftlichen Anschluß Schwedens an Deutschland“ vorschlug. Pückler war begeistert und berichtete umgehend nach Berlin. Dumba gegen­über meinte er, Schweden sei ein viel zu kleines Land, um sich nicht an ei­nen mächtigeren Nachbarn anschließen zu müssen. Er, Pückler, sei für einen engeren Anschluß an Deutschland. Im Bewußtsein der Möglichkeit interna­tionaler Komplikationen bat Pückler Dumba, diese „Mitteilungen streng ver­traulich zu betrachten“ und auch dem italienischen Gesandten in Stockholm darüber keine Andeutung zu machen. Dumba hingegen teilte den Optimismus Pücklers nicht. Er warnte seinen deutschen Kollegen vor einer allzu großen „Überschätzung der Tragweite der Taubeschen Eröffnungen“. Taube sei nur durch die momentane Verstimmung gegenüber Rußland zu seinem Frontwechsel veranlaßt worden. Noch im ver­gangenen Winter wäre er „Feuer und Flamme“ für ein näheres Zusammen­gehen mit Rußland gewesen. Taube besitze außerdem kein festes Programm und habe keine unwandelbaren Ziele, er sei auch nicht jener Mann, der durch seine Initiative irgend eine größere politische Aktion „inaugurieren“ könne. Dazu sei er zu unbedeutend, auch genieße er zu geringe Autorität. Dumba setze seine Hoffnung vielmehr auf den Staatsminister Arvid Lind- man, welcher auch das Vertrauen des Königs Gustaf besitze. Gustaf selbst sei zu „vorsichtig und bedächtig“, um irgend eine weitsichtige Initiative in der schwedischen Außenpolitik zu setzen. Dennoch riet Dumba Pückler von einer Annäherung an Schweden nicht ab. Er sah aber den Beweggrund für eine zukünftige Allianz nicht in der Person Taubes, sondern in der Finnlandfrage. Durch zunehmende Russifizierung des 29) Vgl. Dumba-Bericht 10 B (1910): HHStA GSt 154.

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