Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm

276 Gerhard Wanner dien Mitteilung Pücklers erfuhr Dumba, daß der norwegische König Haakon den britischen Gesandten in Stockholm, Cecil Spring Rice, anläßlich seines Ausfluges nach Oslo aufgesucht hatte, „um sich über das unfreundliche Vor­gehen der schwedischen Regierung bitter zu beklagen“. Im Gegensatz dazu verhielt sich zum Leidwesen Pücklers die Berliner Regierung immer noch passiv, was den Gesandten jedoch nicht hinderte, eine selbständige Politik zu betreiben. Wie die Briten riet er Norwegen zur Mäßigung, setzte aber gleich­zeitig in Schweden analoge Bestrebungen fort. Was er wünschte, waren gute Beziehungen zwischen den Staaten Schweden und Norwegen, welche Ruß­land gegenüber eine gemeinsame „Defensiv-Position“ einnehmen sollten. Dumba charakterisierte diese Bestrebungen mit dem geographischen Hin­weis, für Pückler seien die „Schären“ (schwedische Ostküste) wichtiger als die „Fjorde“ (Spitzbergen)16). Daher war es natürlich wichtig, auf das stra­tegisch unwichtigere Norwegen einen größeren Druck auszuüben. Im Herbst 1909 komplizierte sich die Situation zusätzlich, als sich auch die USA, die zur Zeit das einzige Bergbauunternehmen auf dem Archipel betrie­ben, einzumischen begannen. Ein Gesetz aus dem 19. Jahrhundert hatte es dem amerikanischen Präsidenten erlaubt, erst entdeckte und daher herren­lose Inseln, auf denen sich Guano-Vorkommen befanden, zum amerikani­schen Territorium zu erklären. Obwohl dieses Gesetz für Spitzbergen nicht zutraf, vermochte der amerikanische Millionär und Kohlenuntemehmer auf Spitzbergen, Longyear, diese Bestimmungen sinngemäß auf die umstrittene Inselgruppe anzuwenden17). Longyears Gesetzesvorschlag passierte auch wirklich den Senat, was den Gesandten Dumba zur Bemerkung veranlaßte, es wäre eine politische Satire ohnegleichen, wenn der „Imperialismus der V. St. von Am. so weit ginge, eines einzigen Kohlenbergwerks wegen, ihre Fangarme bis nach Spitzbergen auszustrecken und den Rivalitäten der drei nordischen Mächte durch rasches Zugreifen ein Ende zu machen“18). Longyears Bestrebungen scheiterten zwar an der Ablehnung des State De­partment, es war jedoch die Tatsache nicht zu übersehen, daß die USA von nun an Interesse an Spitzbergen besaßen und den Standpunkt Norwegens einnahmen. Im Februar 1910 war in Norwegen eine neue Regierung gebildet worden, welche mit Johannes Irgens einen initiativen und energischen Außenminister erhielt. Da keiner der an Spitzbergen interessierten Staaten die herrschende unklare Situation billigte und die USA zusätzlich zur Regelung der admini­strativen und legislativen Verhältnisse für ihre „Arctic Coal Company“ eine Konferenz wünschten, stimmte auch die norwegische Regierung erfreut die­sem Vorschlag zu und setzte auf den 18. Mai 1910 in Oslo eine internationale 16) Dumba an Aehrenthal (Bericht 12), 1910 Februar 16 Stockholm: HHStA GSt 154. 17) Hantschel Weltgeschehen 92f. Ausführlich über die amerikanischen Interes­sen auf Spitzbergen: Nathan Haskell Dole America in Spitsbergen. The Romance of an Arctic Coal-Mine, 2 Bde (Boston 1922) bes. 1 430-440. ls) Vgl. Dumba-Bericht 12 (1910): HHStA GSt 154.

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