Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)
WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm
Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 275 Außerdem wünschte das britische Kabinett angesichts der Verschärfung der internationalen Lage ein neutrales Skandinavien und keinesfalls ein Schweden, das auf Seiten Deutschlands stand, wie zu befürchten war. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Großbritannien an einer raschen Einigung zwischen Schweden und Norwegen interessiert war und den geschickt taktierenden Außenminister Taube unterstützte. Der k. u. k. Gesandte in Stockholm, Constantin Dumba, berichtete davon, nachdem er sich etwa ein Jahr nicht mehr der Spitzbergenfrage gewidmet hatte, im Februar 1910 Außenminister Aehrenthal: „Ich erfahre nämlich streng vertraulich, daß dasselbe [das Londoner Kabinett] eindringlichst zur Nachgiebigkeit und zu einer versöhnlichen Haltung geraten habe. Sir Charles Hardinge “) hätte in einer zur Verlesung bestimmten Depesche an den englischen Gesandten in Christiania [Oslo] einen rechten Schulmeisterton angeschlagen, um das sozusagen unter englischem Protektorate stehende Norwegen auf die gefährlichen Folgen seiner Intransingenz aufmerksam zu machen“ * 12). Der deutsche Gesandte in Stockholm, Carl Graf Pückler, war über diese Vorgangsweise Taubes alles eher als erfreut. Deutschland hatte nämlich in Schweden die Initiative verloren. Mit Dumba war er einer Meinung, wenn dieser lakonisch meldete: „Die russisch-englische Entente macht sich eben auch hier bemerkbar, und der deutsche Stern scheint in Schweden augenblicklich etwas schwächer zu leuchten“13). Dabei war Pückler ein überzeugter Anhänger der Idee, Schweden müsse dem Dreibund angeschlossen werden. Noch im Jänner 1910 hatte er nach Berlin berichtet, es kämen niemals mehr deutschfreundüchere Männer an die Regierung als Lindman, Taube und König Gustaf14 1). Nun sah er sich gerade von Taube enttäuscht, der ihm in seinen Bestrebungen einen Strich durch die Rechnung zu machen schien. Constantin Dumba als Beobachter der Szene hoffte jedoch auf die „Macht“ des schwedischen Königs Gustaf, welcher „aufrichtig gute Beziehungen“ zu Deutschland wünsche, und auf Staatsminister Lindman, da dieser mit der Taktik Taubes nicht einverstanden war. Andererseits wies Dumba auf den Umstand hin, daß in der konservativen Regierungspartei, im Adel und der Armee die Stimmung gegen den „imionsflüchtigen Nachbarn Norwegen noch so gereizt“ sei. Jede Nachgiebigkeit Schwedens gegenüber Norwegen werde in diesen Kreisen als Schwäche ausgelegt. Und gerade diese Gruppen waren eine starke Stütze für Taubes Politikls). „Gereizt“ war jedoch auch die Stimmung in Norwegen. Aus einer vertraulin) Hardinge war Unterstaatssekretär im britischen Außenministerium. 12) Dumba an Aehrenthal (Bericht 4), streng vertraulich, 1910 Februar 8 Stockholm: HHStA GSt 154. 13) Ebenda. u) Folke Lindberg Kunglig utrikespolitik (Stockholm 1966) 184. 1S) Vgl. Dumba-Bericht 4: HHStA GSt 154. 18*