Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm

Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 273 beitskräfte verwendeten und auf den Inseln keine Behörden vorhanden wa­ren, kam es wiederholt zu Interventionen bei der norwegischen Regierung, die über ein Territorium entscheiden sollte, - das ihr nicht gehörte4). Im Jahr 1908 begann sich auch die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm für Spitzbergen zu interessieren. Es war der Gesandtschaftssekretär Baron Ru- bido-Zichy, welcher am 17. August an Außenminister Aehrenthal erstmalig einen Bericht über die bisherigen Vorgänge auf dem Archipel sandte: Nor­wegen lud Anfang August die an Spitzbergen interessierten Mächte Rußland, Schweden, Deutschland, England, Dänemark und Holland zu einer Konfe­renz nach Oslo ein. Es sollte über Maßregeln zum Schutz des bisherigen Be­sitzstandes, über die Rechtsverhältnisse, ferner über Jagd- und Fischereifra­gen verhandelt werden5). Wie Rubido-Zichy zu berichten wußte, war Schwe­den zwar zu unverbindlichen Besprechungen bereit, etwaige Resultate sollten jedoch den jeweiligen Regierungen vorgelegt werden, welche zu entscheiden hätten. Mit dieser Vorgangsweise stimmte man mit Deutschland überein, so daß in Norwegen die Vermutung auftauchte, die beiden Staaten würden ge­meinsame Sache machen6). Daß dem nicht so war, bestätigten das deutsche Außenministerium, aber auch der deutsche Gesandte in Stockholm, Carl Graf Pückler. Dieser be­mühte sich nämlich, den schwedischen Außenminister Trolle zu einer Annä­herung an Norwegen zu veranlassen, da „die beiden skandinavischen Reiche nur durch Zusammenhalten und ein intensiveres Verhältnis gegen die dro­henden Übergriffe des nordischen Nachbarn einigermaßen Schutz finden könnten“7). Unter diesem „Nachbarn“ war Rußland gemeint, dessen Innen- und Außen­politik überhaupt erst die Spitzbergenfrage für Österreich-Ungarn beach­tenswert gemacht hatte. Die müitärische Schlappe Rußlands gegen Japan 1905 führte zu einer neuerlichen Westorientierung des Zarenreiches. Diese äußerte sich in der scharfen Reaktion auf die Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn im Herbst 1908 und vor allem in der imaufhaltsamen Verrussungspolitik in Finnland und der Aufrüstung der Ost- seeflotte. Die politische Haltung Schwedens als unmittelbarer Nachbar Ruß­lands konnte somit Österreich-Ungarn nicht länger gleichgültig sein. Die Donaumonarchie war an einem starken Schweden und daher an einer mög­lichst schnellen Überbrückung des Gegensatzes zwischen Schweden und Norwegen interessiert, der 1905 durch die Unionauflösung der beiden Staa­ten entstanden war. Die an und für sich bedeutungslose Spitzbergenfrage 4) Ebenda 74 f. 5) Dumba an Aehrenthal (Bericht 2), 1909 Jänner 15 Stockholm: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA) Gesandtschaftsarchiv Stockholm (GSt) 154 (Pol. Berichte). -Trygve Mathisen Svalbard i intemasjonal politikk 1871-1925 (Oslo 1951) 71f. 6) Vgl. Dumba-Bericht 2: HHStA GSt 154. 7) Ebenda. Dumba bezeichnet Arvid Taube 1908 als schwedischen Außenminister. Dies kann jedoch nicht stimmen, da Taube erst im März 1909 zum Nachfolger Trolles ernannt wurde. Mitteilungoi, Band 34 18

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