Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites

18 Heide Dienst wofür ebenfalls keine stichhaltigen Gründe vorliegen58). Es erweist sich als nicht sehr erkenntnisfordernd, ein strenges Filiationssystem zu postulieren. Sehr viel - unter anderem Abhängigkeiten, Leistungen und Grenzen - dürfte sich langsam durch Gewohnheitsrecht eingespielt haben. Wo ringsum Wald oder Sumpfgebiet sich ausbreitete, hegte man kaum besondere Sehnsucht nach Grenzfeststellungen, - die Notwendigkeit, über Grenzen Bescheid zu wissen, ergab sich erst mit dem allmählichen Siedlungsausbau und damit mit Kollisionen verschiedener Macht- und Interessensphären. Daher auch viele post eventum niedergeschriebene Notizen über Kirchweihen und Grenzen; z. B. wurden die alten Pfarr- und Zehentgrenzen der Kirche zu Weikendorf, die aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bischof Ulrich von Passau und dem Markgrafen Leopold mit Zweidrittelzehent an Melk gekommen ist (1113), anläßlich der Kirchweihe am 10. Februar 1115 erst durch eine Um­frage bei den Dorfbewohnern festgestellt59). Während man die „Melker Pfarren“ allgemein als babenbergische Gründun­gen angesehen hat60), ging die communis opinio bezüglich der „Dreizehn Pfarren“ zunächst dahin, daß es sich dabei um passauische Gründungen handelte61). Eingehende besitzgeschichtliche Untersuchungen haben einer differenzierten Beurteilung des Sachverhaltes zum Durchbruch verholfen: Im allgemeinen wurde die Gründung der Kirchen durch Grundherren — unter ihnen auch, aber nicht allein, die Babenberger - wahrscheinlich gemacht62); ss) Wolf Erläuterungen 370, 372. Die Übertragung an Göttweig FRA 2/69 nn. 119, 244. Vgl. dazu Herbert Mitscha-Märheim Gedanken über den edlen Chadolt von Mailberg in 10. Jahresbericht d. Mus.-päd. Realgymnasiums Mistelbach (1973) 39—47; Heide Dienst Tradition und Realität. Quellenkritische Bemerkungen zu frühen „Kuenringern“ in JbLkNÖ NF 45 (= Kuenringer-Forschungen, 1981) 94 f. 59) Die Grenzbeschreibung ist in drei Ausfertigungen um 1120 entstanden: Mitis Studien 205-215; vgl. dazu Ignaz Franz Keiblinger Geschichte des Benedictiner- Stiftes Melk in Niederösterreich 1 (Wien 1867) 1135; 2/2 (1869) 241 ff nn. 2—4; BUB 4/1 n. 616: „. .. terminum autem decimationis eiusdem parrochie, sicut subtilissimus inve­stigando et inquirendo ab industrioribus et senissimis conprovincialibus scire potui­mus, subter notavimus . .Diese Weihenotizen waren wie die anderen älteren Melker Urkunden 1108-1234 über ein Jahrhundert verschollen und wurden 1976 im Wiener Melkerhof wieder entdeckt (briefl. Mitteilung des Abtes Burkhard Ellegast vom 12. Oktober 1976). 60) So Wolf Erläuterungen 25f; Lechner Beiträge 115ff differenziert stärker: er hält Traiskirchen vielleicht für passauisch, Weikendorf für eichstättisch, Ravelsbach für formbachisch, Wullersdorf für vohburgisch, Mödling vielleicht für babenbergisch; vgl. Hilger Mödling 131f. 61) Diese ältere Meinung hält Karl Lechner Geschichte der Besiedlung und ur­sprünglichen Grundbesitzverteilung des Waldviertels in JbLkNÖ 19 (1924) 47 für irrig, meint aber ebenda 50: „bezüglich der Zehente läßt sich annehmen, daß sie wenigstens teilweise ... ursprünglich von Passau bezogen wurden, dann aber - vielleicht mit Zu­stimmung des befreundeten Bischofs — von den Markgrafen, in Gewohnheit des Eigen­kirchenrechtes, an sich genommen wurden“. Vgl. auch unten S. 39, zuletzt Lechner Babenberger 115 f mit 343 Anm. 29, mit dem zusammenfassenden Hinweis, „daß es sich um Eigenpfarren anderer hochadeliger Geschlechter handelt, die allmählich erst an Markgraf Liutpold III. gefallen waren“. 62) Ebenda.

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