Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)
DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites
12 Heide Dienst dazugehörenden Rechten und Pflichten34). Das wesentlichste Recht bestand in der Zehenteinhebung, die wesentlichste Pflicht in der Bereitstellung eines gebildeten Seelsorgers von untadeligem Lebenswandel. Diese beiden Hauptanliegen der Reform ließen sich kleinräumig besser verwirklichen. Wenn es auch nicht zur förmlichen Aufteilung der Diözese in Archidiakonate kam343), so wurden doch Schwerpunkte gebildet, wie in unserem Beispiel durch die Gründung Göttweigs im Ostland als eines Sammelortes für alle Abgaben und zur Delegation bestimmter Aufgaben wie der Rekrutierung und Ausbildung von Seelsorgern. Diese kleinräumige, nicht unüberschaubare Gliederung ermöglichte dem Diözesan eine effizientere Kontrolle und Verwaltung. Die von Bischof Altmann begonnene Ausstattung Göttweigs mit Zehenteinkünften, Kirchen und Pfarren setzten seine Nachfolger fort: Bischof Regin- mar erhob kurz nach seinem Amtsantritt die vom Göttweiger Abt Nanzo erbaute Kirche in Kottes zur Pfarrkirche35), fügte anläßlich von Besitzbestätigungen noch den Zehent von den in der Pfarre Krems neu gepflanzten Weingärten und auch die neue Pfarre Michelbach dazu, deren Kirche er selbst hatte erbauen lassen36). Er wird auch gegen die Schenkung der Kirche Nap- persdorf an Göttweig durch Chadold.von Mailberg nichts einzuwenden gehabt haben37). Anders verhielt er sich allerdings gegen Klöster, die nicht dem bischöflichen, sondern dem markgräflichen Einflußbereich zugehörten: An das Kloster Melk waren 1113 durch den Markgrafen Leopold mit Zustimmung des Bischofs Ulrich feierlich die fünf Pfarren Mödling, Ravelsbach, Traiskirchen, Weikendorf und Wullersdorf mit Zweidrittelzehent übertragen worden38). „Episcopus Reginmarus ecclesiae dei molestus et amarus libertatem monasterii nostri molitus est infringere et decimationes ecclesiarum nostrarum auferre“, heißt es zu 1136 in den Melker Annalen. Nun habe man sich an Papst Innozenz um eine Privilegienbestätigung gewandt; dieser habe kraft apostolischer Autorität die Machenschaften des Bischofs unterbunden („episcopi factiones adnichilavit“)39). Auch Klosterneuburg hat im Frühjahr 1135 auf Vermittlung des Erzbischofs Komád von Salzburg ein päpstliches Schutzprivileg erhalten; wir wissen davon aus einem Brief Innozenz’ n. an 34) FRA 2/69 n. 1; hier heißt es allerdings „parrochia . . . cum decimationibus“; zu den Pfarren Wolf Erläuterungen 139, 148, 156, 313. 34 a) Vgl. die Garser Abmachungen unten S. 36 sowie die Übertragung der vier Ar- chidiakonatssprengel im westlichen Teü seiner Diözese an die Pröpste des Domstiftes bzw. die Regularkanonikatsstifte Salzburg, Baumburg, Gars am Inn und Chiemsee durch Erzbischof Konrad I. von Salzburg: Zeillinger Konrad 34f; Classen Ger- hoch 61 ff. 35) FRA 2/69 n. 186. 36) Ebenda n. 210; FRA 2/51 nn. 26, 27; dazu Wolf Erläuterungen 150. 37) FRA 2/69 n. 244; Wolf Erläuterungen 237. 3S) BUB 4/1 n. 613; vgl. dazu besonders auch Karl Lechner Die Anfänge des Stiftes Melk und des Sankt Koloman-Kultes in JbLkNÖ NF 29 (1944-48) 47-81, bzw. dsbe Beiträge zur älteren Besitzgeschichte des Klosters Melk, ebenda 36/1 (1964) 111-141. 39) MG SS 9 502; vgl. BUB 4/1 n. 690; Lechner Babenberger 125.