Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)
DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites
Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf 11 1025 sicherte König Konrad II. der Passauer Kirche die Einhebung des Zehents in allen damals besiedelten Plätzen und den noch zu rodenden Neubrüchen nördlich der Donau zu, .wovon man rechtens Zehent zu zahlen pflegt“30). Bischof Berengar mußte sich offenbar mit dem babenbergischen Markgrafen darüber ins Einvernehmen setzen31). Soweit wir bis jetzt sehen, stellte die Königsurkunde nicht mehr als eine subsidiäre Rechtsgrundlage für die Durchsetzung der passauischen Zehenthoheit zu einem Zeitpunkt dar, als die bayerische Eroberung und damit die christliche Mission im Land nördlich der Donau erst in Angriff genommen wurde32). Bischof Reginmar berief sich 1135 nicht auf diese seinem Bistum vom König zugestandenen Rechte - elf der dreizehn Pfarren liegen nördlich der Donau -, sondern stellte sein kirchlich-kanonisches Recht in den Vordergrund. Es ist möglich, daß in der Formulierung „legitima et canonica traditio“ diese alte Berechtigung noch zum Ausdruck kommt, etwa mit dem „legaliter“ des Konraddiploms korrespondierend. Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts nahm offensichtlich niemand, auch der Bischof von Passau nicht, am Zehentbezug des Kirchengründers bzw. -erhal- ters Anstoß. Das zeigt auch die Formulierung von Kirchenübertragungen zu Emstbrunn und Hom „cum dote et familia atque decimatione quin cum omni lege“ durch potentes an Bischof Egilbert von Passau (1045-1065) - das Zeh entrecht wird also ausdrücklich mitübereignet33). Es scheint nun, daß — nicht nur durch die Ereignisse des Investiturstreites bedingt - Passau nicht alle Einkünfte zentral verwalten konnte. Das war angesichts der Einhebungsmodalitäten und Transportverhältnisse damals organisatorisch einfach nicht möglich. Bischof Altmann (1072-91), der infolge seiner streng gregorianischen Gesinnung einen Großteil seiner Amtszeit außerhalb seines Diözesansitzes verbringen mußte, übereignete seiner Gründung Göttweig die Pfarren Mautem, Mühlbach, Pyhra und Kilb mit allen alter der Babenberger in JbLkNÖ NF 42 (1976, Babenberger-Forschungen) 55. Die Lage von „Sigemaresweret“ und „ötcinesseuue“ ist strittig, doch dürfte es sich im ersten Fall um einen abgekommenen Ort an der Stelle des heutigen Altenwörth handeln, dessen Pfarrkirche im 11. Jahrhundert nach dem vor Überschwemmungen sicheren Kirchberg a. Wagram verlegt wurde, im zweiten Fall um ein abgekommenes Ützensee, später in das überschwemmungssichere Stockerau verlegt, und nicht um Jedlesee. 30) DK II 47; vgl. dazu Plöchl Zehentwesen 19ff; Karl Lechner Die Babenberger (Wien-Köln-Graz 1976) 67 f. 31) Ebenda; vgl. unten S. 36. 32) Max Vancsa Geschichte Nieder- und Oberösterreichs 1 (Gotha 1905) 237ff; Lechner Babenberger 66ff; vgl. auch Ingeborg Friesinger Das südöstliche Waldviertel im Frühmittelalter (ungedr. phil. Diss. Wien 1976) 75 ff (über die Christianisierung). ”) Graf Ratpoto schenkt die Kirche in Ernstbrunn „quam in patrimonio suo construxit“ (FRA 2/69 n. 426), Graf Gerold die von ihm „in predio suo“ erbaute Kirche in Hom (1. c. n. 427); in beiden Fällen wird nur der Ausdruck „ecclesia“, nicht aber „Pfarre“, verwendet. Vgl. auch Feigl Pfarrnetz 55.