Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

KLEINMANN, Hans-Otto: Die österreichische Diplomatie und die Anerkennung der amerikanischen Staaten

Die österreichische Diplomatie und die Anerkennung der amerikanischen Staaten 175 Aus juristischer Sicht erscheint sie als „eine typische Gestaltung des formel­len Völkerrechts“3). Sie wird sogar als das „Schlüsselproblem“4) der Staatenordnung bezeichnet. Die dogmatische Verknüpfung mit dem Grund­satz der Gleichheit der Staaten und dem Souveränitätsprinzip macht sie zur Voraussetzung für Bestand und Funktionieren der Rechtsordnung, in der sich die internationalen Beziehungen bewegen. So geht die vorherrschende Lehr­auffassung dahin, daß die Anerkennung von Staaten und Regierungen als Rechtsfigur mit der Auflösung der mittelalterlich europäischen Gesamtver­fassung zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert korrelativ zum Souveräni­tätsbegriff entstanden ist. In diesem Sinn äußert sich Quaritsch: „Erst die gegenseitige Anerkennung souveräner Unabhängigkeit ermöglichte die Gleichheit der Souveräne, diese wiederum war die Voraussetzung, daß seit dem Ende des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts aus dem ortlos gewordenen Nebeneinan­der der ,communitates superiorem non recognoscentes1 das sog. moderne Völkerrecht entstehen konnte .. .“5); und geradezu apodiktisch heißt es bei dem Rechtssoziologen Jerusalem: „Das moderne Völkerrecht, soweit es auf dem Souveränitätsprinzip beruht, enthält zunächst nur einen einzigen Satz, nämlich den von der grundsätzlichen Anerkennung der Souveränität der Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft.. ,“6). Nun ist kaum in Zweifel zu ziehen, daß ein Ordnungssystem, das wie die neuzeitliche Staatenwelt Europas auf der Autonomie und Gleichheit seiner Mitglieder beruht, konsequenterweise über ein Instrument verfügen muß, mit dem sowohl kontrolliert wird, daß jeder sich im andern als sich selbst er­kennt und achtet, als auch immanent festgestellt werden kann, ob und wann die Qualität der Mitgliedschaft erreicht ist. Ein gesellschaftliches Neben-, Mit-, ja selbst Gegeneinander von Souveränen, die für sich das Recht der Unabhängigkeit und Hoheitsgewalt behaupten, ist ohne derartige institutio­neile Stützen wie Verträge, kollektive Gewohnheiten und generalisierte Ver­fahren nicht möglich. Auch die „völkerrechtliche Anerkennung“ ist nichts anderes als eine solche Einrichtung mit institutionalisierender Funktion. Sinn, Form und Aufgabe erhielt sie in dem Maße, wie sich das europäische Staatensystem zu einem Gesellschaftsgebilde mit festen Traditionen, Handlungsformen, Werthaltun­gen, Vertragsverhältnissen, diplomatischen Beziehungen und Magistraturen strukturierte. Historisch lassen sich Begriff und Problematik der völkerrecht­lichen Anerkennung erst in der voll ausgebildeten Staatengemeinschaft des Ius publicum europaeum finden. 3) Rolf Knubben Die Subjekte des Völkerrechts. Allgemeine Lehre von der vollen und beschränkten völkerrechtlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit (Handbuch des Völkerrechts, hg. von Fritz Stier-Somlo 2/1, Stuttgart 1928) 311. 4) Carl Schmitt Der Nomos der Erde (Köln 1950) 273. 5) Helmut Quaritsch Staat und Souveränität 1: Die Grundlagen (Frankfurt 1970) 253. 6) Franz W. Jerusalem Völkerrecht und Soziologie (Jena 1921) 12.

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