Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
SPRINGER, Elisabeth: Kaiser Rudolf II., Papst Clemens VIII. und die bosnischen Christen. Taten und Untaten des Cavaliere Francesco Antonio Bertucci in kaiserlichen Diensten in den Jahren 1594–1602
84 Elisabeth Springer faßte nur wenige Orte im Umkreis des Moros-Bergstockes am Unterlauf der Cetina, dazu das Küstengebiet etwa von Split bis Almissa/Omis (beides exklusive). Nach einem türkischen Hauptangriff von 1570 flüchteten viele Po- glizzaner Familien auf venezianisches Gebiet, vor allem nach Spalato, Al- missa und Brazza. Der „Freistaat“ selbst blieb jedoch erhalten. Von den Besonderheiten seiner politischen Bedeutung wird noch die Rede sein31). Bei der Betrachtung der venezianisch-türkischen Grenzzone in Mitteldalmatien drängt sich unwillkürlich der Vergleich mit dem südwestlichsten Ausläufer der innerösterreichischen Militärgrenze auf, dem Ansiedlungsgebiet der Uskoken von Zengg/Senj. Auch diese waren eine sehr eigenständige Volksgruppe, die in einer Umgebung mitteleuropäischer Zivilisation den urtümlichen Lebensformen eines kriegerischen, auf der Durchführung von Raubzügen begründeten Stammesverbandes verhaftet geblieben war. Die kaiserliche Regierung hatte es verstanden, sich diese Leute durch lose Verträge im Rahmen der Militärgrenze nutzbar zu machen32). Von einem Vertrag Venedigs mit den Poglizzanem ist dagegen nicht die Rede, doch hatten diese Leute den Kampf gegen die Türken in ihrer Verfassung an hervorragender Stelle verankert33). Zwischen den Poglizzanern und den Uskoken bestanden lebhafte persönliche Kontakte, die bei der geplanten Volkserhebung in Bosnien, der Herzegowina und Albanien wichtig werden sollten. Obwohl nun die Festung Clissa gewiß von größter strategischer Bedeutung war, kommt vielleicht noch ein Zweites hinzu, um die Faszination dieses Wortes für den Kreis um Kaiser Rudolf II. zu erklären: Der Titel eines Grafen von Clissa ist seit dem Mittelalter nachweisbar, teils beim Banus von Kroatien, teils bei dem von Bosnien34). Das Hoheitsgebiet von Clissa deckte sich vielleicht mit der Grafschaft Poglizza, doch sei dies hier lediglich als Vermutung angeführt. Jedenfalls war die Festung Clissa unabhängig von der Kommune Spalato und stand meist sogar in Gegensatz zu der dortigen politischen Führung. Sehr oft diente Clissa auch als Fluchtburg für die ungarischen Könige oder andere Herrscher35). Seit etwa 1530 wurde die Festung ständig umkämpft, und 1537 kam es zur ersten spektakulären Eroberung durch die Türken36). Es fehlte danach nicht an Rückeroberungsversuchen, 31) Karte bei Pavich Beiträge 157. 32) Günther E. Rothenberg Die österreichische Militärgrenze in Kroatien (Wien — München 1970) Kap. V. 33) Siehe unten S. 90. 34) Freschot Dalmatien 142, 227; Klaic — Bojniöic Geschichte Bosniens 65, 140. 35) Ferdinand von Sisic Die Wahl Ferdinand I. von Österreich zum König von Kroatien (Agram 1917) 34; Emil Lilék Kritische Darstellung der ungarisch-kroatischen Verschwörung und Rebellion 1663—1671 1 (Celje 1928) 8f; Heide Dienst Die Schlacht an der Leitha 1246 (Militärhistorische Schriftenreihe 19, Wien 1971) 26. 36) Freschot Dalmatien 309; Die Korrespondenz Ferdinands I. 3: Familienkorrespondenz 1531 und 1532, bearb. von Herwig Wolfram und Christiane Thomas (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 58, 1.-2. Lieferung Wien 1973/1977) 174, 188, 191, 201, 213f.