Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
SPRINGER, Elisabeth: Kaiser Rudolf II., Papst Clemens VIII. und die bosnischen Christen. Taten und Untaten des Cavaliere Francesco Antonio Bertucci in kaiserlichen Diensten in den Jahren 1594–1602
Rudolf II., Clemens Vin. und die bosnischen Christen 83 In einer Beschreibung Dalmatiens aus dem 17. Jahrhundert lesen wir: „Clissa ist eine Festung, so die Natur wegen der Situation auf der Spitze eines hocherhobenen Berges mit Beyhülffe der Kunst und menschlichen Fleißes wegen ihrer dreifachen Mauren geschickt gemacht hat, aller feindlichen Gewalt Trotz zu bieten“26). Clissa liegt im Hinterland von Spalato in der Nähe des antiken Salona, an einer alten direkten Straßenverbindung nach Livno, von wo man weiter nach Travnik, Jaice, Banjaluka und Knin, also mitten nach Bosnien, gelangte. Die Türken hatten im Tal der Cetina die Festung Sing/Sinj zur Sicherung ihrer Grenzen gegenüber Clissa errichtet27). Die politische Lage war in Dalmatien zu Ende des 16. Jahrhunderts höchst verworren. König Ludwig der Große hatte, wie erwähnt, den Besitz Dalmatiens für die Krone Ungarn wieder nachdrücklich in Erinnerung gerufen, nachdem im frühen 14. Jahrhundert die fast selbständigen Grafschaften Knin, Corbavia, Segna, Clissa, Ostrovizza und Cluci entstanden waren28). Doch schon Ludwigs unmittelbare Nachfolger mußten einige Seestädte und Inseln an Venedig abtreten bzw. verkaufen29). Um etwa 1420 war die Herrschaft Ungarns über Dalmatien ohne besonderen Vertrag faktisch zu Ende. Dieser Freiraum wurde jedoch nur allmählich einerseits von den hauptsächlich um die Sicherung ihrer Herrschaft in der Adria besorgten Venezianern, andererseits von den kriegstüchtigen Osmanen ausgefüllt. Venedig beherrschte die vorgelagerten Inseln und einen oft nur wenige Kilometer tiefen Küstenstreifen von Zara bis Spalato und dann wieder das Gebiet um Cattaro, das venezianische Albanien. Die Türken drängten aus dem Inneren der Balkan-Halbinsel an die Adria vor: 1463 fiel Bosnien, 1483 die Herzegowina in ihre Hände. Im Lauf des 16. Jahrhunderts drangen sie weiter vor und besetzten auch das Umland von Spalato, ohne die Stadt selbst zu erobern. Damit waren sie nun unmittelbare Nachbarn eines jener dort bestehenden Territorien geworden, nämlich der Grafschaft Poglizza/Poljica; nach erschlossenen Ursprüngen im Mittelalter ist sie seit 1440 gesichert nachweisbar, als freie Kommune, die sich unter Führung ihres Veliki Kn ez (Großfürsten) durch Verträge an Venedig gebunden hatte30). Diese Grafschaft Poglizza um26) Casimir Freschot Des Königreichs Dalmatien Historische und Geographische Vorstellung (Leipzig 1688) 307. 27) Ebenda 312. 2S) Ebenda 227. 29) Ebenda 251. 30) Alfons Pavich von Pfauenthal Beiträge zur Geschichte der Republik Po- Ijica bei Spalato mit besonderer Rücksicht auf die Reihenfolge der Veliki Kneze (Staatsoberhäupter) in Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina 10 (Wien 1907) 157-344; L. de Voinovitch La Dalmatie, l’Italie et l’Unité You- goslave (1797-1917) (Genf 1917) XXIX, XCinff; Dalmaticus La Question de la Dalmatie (Genf 1918) 49; Narodna enciklopedija srpsko-hrvatsko-slovenaika 3 (Zagreb 1928) 556-565. - Dieser Freistaat Poglizza, z. T. als Grafschaft, z. T. als Republik bezeichnet, wird in der national-tendenziösen Literatur nach 1900 stets als Paradebeispiel für die Selbständigkeit der Südslawen hervorgehoben. 6*