Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung
Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35 55 zu einer Reichshilfe zu kommen“* 46) - genau den Weg über die Reichskreise, auf dem ihm nach Koblenz 1534 die Reichsstände vorausgegangen waren. Auch wenn er mit diesem seinem zweiten großen reichspolitischen Projekt wiederum scheiterte47), so muß doch mit Adam Wandruszka hervorgehoben werden, daß Ferdinand in den 1530er Jahren, insbesondere auch ab 1534 „in der deutschen Politik immer stärker hervorftrat]“48). Er tat dies sehr vorsichtig und umsichtig nach allen Seiten im komplizierten Verfassungsgefüge des Reiches, dabei die traditionellen Möglichkeiten eines gewählten Römischen Königs ausschöpfend und die sich neu bietenden, erstmals von den Reichsständen erprobten Möglichkeiten nachahmend. Dabei dachte Ferdinand - wie gerade seine sehr kooperative Vorgehensweise von 1534/35 gezeigt hat - wohl kaum in den Grenzen jenes ,,Denkmodell[s] eines Dualismus zwischen Fürst und Ständen im alteuropäischen Zeitalter“49), das seit Otto von Gier- kes Herausarbeitung im Jahre 1868 zur Kennzeichnung der frühneuzeitlichen Ständischen Verfassung bemüht wird50). Aber auch gerade deshalb wird man nur schwerlich von einer „Ohnmacht“ des „Stellvertreters“ des Kaisers im Reich sprechen können51). Dafür sind gerade seine auch in der Verfahrensweise interessanten Projekte von 1534/35 und 1537 sehr eindeutige Belege. Seit dieser Zeit bestimmte Ferdinand mehr und mehr und dann von den 1550er Jahren an „entscheidend die weitere Gestaltung der politischen und religiösen Verhältnisse im Reich“52). zember 1536: HHStA RAig 9 fol. 12r (Antwortschreiben des Adressaten vom 12. Juli 1537 ebenda fol. 12r-14v). Vgl. allgemein zu diesen Fragen Steglich Reichstürkenhilfe passim. 46) Fritz Hartung Geschichte des Fränkischen Kreises. Darstellung und Akten 1: Die Geschichte des Fränkischen Kreises von 1521—1559 (Leipzig 1910) 185. 47) An dieser Stelle kann hierauf nicht näher eingegangen werden. 4e) Adam Wandruszka in NDB 5 (1961) 81-83, hier 82. 49) Volker Press Herrschaß, Landschaß und „Gemeiner Mann“ in Oberdeutschland vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert in Zeitschriß für Geschichte des Oberrheins 123 (1975) 169-214, hier 171. 50) Kritisch zur Anwendung des Dualismus-Begriffs für die frühe Neuzeit außer Press (ebenda 170ff) mehrfach Gerhard Oestreich, so z. B. in seinen Aufsätzen: Ständetum und Staatsbildung in Deutschland in Der Staat 6 (1967) 61—73, wiederabgedruckt in seiner Aufsatzsammlung Geist und Gestalt des frühmodemen Staates (Berlin 1969) 275-289, Ständestaat und Ständewesen im Werk Otto Hintzes in Dietrich Gerhard [Hg.] Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Max-Planck-lnstituts für Geschichte 27, Göttingen 1969) 56-71, (zusammen mit Inge Auerbach) Die Ständische Verfassung in der westlichen und in der marxistisch-sowjetischen Geschichtsschreibung in Anciens Pays et Assemblées d’Etats 67 = Standen en Landen, Miscellanea 33 (1976) 6-54, bes. 3Iff, zuerst unter dem Stichwort Ständische Verfassung in Sowjetsystem und Demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie 6 (Freiburg — Basel - Wien 1972) Sp. 211-236, bes. Sp. 222 f, und zuletzt Vom Herrschaßsvertrag zur Verfassungsurkunde. Die „Regierungsformen“ des 17. Jahrhunderts als konstitutionelle Instrumente in Rudolf Vierhaus [Hg.] Herrschaßsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze (Veröffentlichungen des Max-Planck-lnstituts für Geschichte 56, Göttingen 1977) 45-67. 51) Winckelmann Der Schmalkaldische Bund 257. 52) Wandruszka in NDB 5 82.