Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung
32 Helmut Neuhaus Konzil war. Dieses Ergebnis der Umfrage stand keineswegs im Widerspruch zur Meinung des Königs, denn auch Ferdinand hatte nicht beabsichtigt, das immer wieder in Aussicht gestellte Konzil zu umgehen"70). Aber er hatte am 21. November 1534 in seiner königlichen Instruktion ebenso unmißverständlich formuliert, „das nicht destminder die unvermeidlich notturft erforderte, ain gemaine Reichsversamblung zehalten“, denn „wo dann in das Concilium aber Verzug und sterer körnen solt, so wurde nicht dest weniger, sonder nur sovil dest mer die notdurft ainen Reichstag zehalten erfordern, auf das dieselben zwitracht, unainigkait und mißverstandt der Religion halben gemyl- tert [...] und sonderlich auch Recht und pillichait erhalten werden mog“71). Ferdinand sah „zu ausrichtung solher mercklichen erhaischenden notturft Sachen ainen gemainen Reichstag fast für notturftig an“72) und konnte — wie wir sahen - sein Reichstagsprojekt dabei sogar reichsrechtlich begründen73). Und auch später noch blieb Ferdinand bei dieser Auffassung. Nach Karls V. Ankunft aus Richtung Nordafrika in Italien am 22. August 1535 74) ließ er ihn durch den Kardinal von Trient zum einen dringend bitten, die Einberufung des Konzils bei Papst Paul III. zu betreiben; zum anderen gab er ihm zu verstehen, daß es „ganz unausweichlich sey, auch den Reichstag zu halten“: „und wenn dann das Concil ausgeschrieben und gehalten und es von den Mächtigeren gut geheißen würde, so könnte alsdann von der Art und Weise, wie es zu halten und wie sich die Stände dazu vorbereiten sollen, fruchtbar gehandelt und über das übrige dazu nöthige transigirt werden“75). Der unanfechtbaren Auslegung des Nürnberger Anstandes durch den Kur70) HHStA RK RTA 5 CH: Instruktion Ferdinands von 1534 November 21 (zit. Kgl. Instruktion) fol. 7 v. - Ferdinand hat allerdings auch nicht ,,ein[en] Reichstag eigens wegen der Religionssachen geplant“ und einen solchen „gegen Ende des Jahres 1534 [ . . .] bei den Fürsten der sächsischen Kreise“ angeregt, wie Albert Neukirch Der niedersächsische Kreis und die Kreisverfassung bis 1542 (Quellen und Darstellungen aus der Geschichte des Reformationsjahrhunderts 10, Leipzig 1909) 112 Anm. 2, unter Hinweis auf die Instruktion Ferdinands von 1534 November 21 (Exemplar im Staatsarchiv Magdeburg) für Joachims von Maltzan Mission bei den Kurfürsten von Mainz (für das Erzbistum Magdeburg), Sachsen und Brandenburg und den Reichsfürsten von Sachsen (Albertiner), Braunschweig, Mecklenburg und Pommern meinte feststellen zu können. 71) Ebenda fol. 7 v-8 r. — Diese seine Auffassung hat Ferdinand dann noch einmal in einer Instruktion für Heinrich Treusch von Butlar, gen. „der lange Hesse“, vom 4. Dezember 1534 bekräftigt (HHStA RK RTA 5 CII fol. 38r-42v): Nach seinem Bericht über die durch den Wechsel auf dem Heiligen Stuhl in Rom verzögerten Verhandlungen über die Einberufung des geforderten Konzils und den gegenwärtigen Stand der Dinge erklärte er: „So wollt dannocht nicht weniger die hoch und groß notturft ervor- dern, das daneben von wegen der vor äugen swebenden geferlichen leuf ain gemaine zusamenkhunft aller Stende des Reichs zum ehisten fürgenomen, ainen Reichstag gehalten, das zwischen ansetzen des begerten Concüium in den notwendigisten puncten, die nit verzug erleiten, gehandlet werden und einsehen bescheen mocht“ (fol. 38 v). 72) Kgl. Instruktion fol. 8r. 73) Siehe MÖStA 32 (1979) 45ff. 74) Vgl. Baumgarten Geschichte Karls V. 3 178. 75) Bucholtz Geschichte 4 304.