Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung
Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35 33 fürsten von Mainz und den Albertiner folgten die übrigen Reichsstände zum großen Teil allerdings nur in der Religionsfrage. Obwohl im Vertrag vom 23. Juli 1532 und in späteren Dokumenten wie dem Regensburger Reichstagsabschied des gleichen Jahres und dem Vertrag von Kaaden eindeutig festgelegt worden war, daß der erste nach 1532 stattfindende Reichstag sich erneut mit dem Religionsproblem befassen müsse, im Zusammenhang mit dem ersten zukünftigen Reichstag also nirgends von einer Reichsversammlung für besondere Reichsangelegenheiten gesprochen wurde, hielt eine große Zahl der Befragten - die politische Praxis vor Augen — dennoch wie König Ferdinand76) einen Reichstag unter Ausklammerung der Religionsfrage für möglich. Die Reichsstadt Straßburg - eine protestantische Reichstagsberechtigte also, von der der Kurmainzer und der Herzog Georg dies am wenigsten erwarteten77) — formulierte diese verfassungsrechtlich kaum zu akzeptierende, politisch aber sehr wohl notwendige Haltung, wenn sie der Hoffnung Ausdruck verlieh, Kaiser und König „werden solhen uffgerichten Friden nit allein bis zu künftigem Reichstag, sonder auch further also gnedigst halten und handthaben, damit frid und Ruh im heiligen Reich erhalten werde“78). Unter Mißachtung des selbstbegrenzten politischen Handlungsspielraums sprach man sich für einen Reichstag aus, wenn die Religionsfrage nicht zu den Beratungsgegenständen gehörte. Dafür ist die Haltung des Kurfürsten von Brandenburg in ihrer generalisierenden Aussage typisch: War er hinsichtlich des Konfessionsproblems der Meinung, daß es „durch kein ander noch besser mittel als durch ein gemein Concilium magk beigelegt werden“79), so sah er „zuerledigung der andern Artigkl [...] für guet an, das ain Reichstag gehalten solt werden“80). Und zur Unterstreichung seiner unbedingten Notwendigkeit hielt Kurbrandenburg ihn nicht nur „vor not und gut“, sondern erachtete es sogar als „notiger dan in dreissig Jaren gescheen, das zum furderlichsten [...] ein Reichstag gesatzt und ausgeschrieben werde“81). Fast ebenso deutlich sprach sich der Kurpfälzer für einen Reichstag aus, wenn er - gleichgültig ob es zu einem Konzil kommen würde oder nicht - erklärte, daß er es „daneben uß vilerhandt treffenlich bewegnussen für hoch noth und nutzs angesehen, dieser zeit im heiligen reiche einen tag und ver76) In seiner Instruktion vom 4. Dezember 1534 unterstrich er die Notwendigkeit des Reichstages mit seiner Beobachtung, daß „aber die gemelten Reichsabschid, der Nurmbergisch vertrag und darüber der kay. verkhundt Landtfrid nit bey yederman bedacht, solhem zuwider in unsers heiligen glaubens Sachen zum beschwerlichisten gehandlt wurde, also daz sich die sach mm von tag zu tag ergert und zu khainer pesse- rung schickhet“, und erwähnte insbesondere die Täuferbewegung im Reich, vor allem im westfälischen Münster (HHStA RK RTA 5 CII fol. 39r). Ebenso in einem Schreiben vom 4. Dezember 1534 (ebenda fol. 26r—30r). 77) Siehe oben S. 26. 7S) HHStA RK RTA 5 CHI fol. 54v-55r. 79) Ebenda fol. 8r; vgl. auch Auszug ebenda fol. 132 r. 80) Auszug ebenda fol. 132 r; vgl. auch ebenda fol. 8r. 81) Ebenda fol. 6 v. Mitteilungen, Band 33 3