Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
KANN, Robert A.: Die Statuen vor dem Wiener Rathaus
282 Robert A. Kann „... weil ihre Thaten mit den glorreichsten Zeiten Wiens selbst zusammenfallen und weil der Erfolg und die Wichtigkeit derselben für Wien und für die Monarchie von unberechenbarer Tragweite gewesen sind ... Obwohl die Wahl dieser beiden Statuen gewiß nur eine glückliche genannt werden kann, so läßt sie doch nicht mehr ganz freie Wahl in Absicht auf die übrigen Figuren, und es dürfte in dieser Beziehung der Boden der Staats- oder Stadtgeschichte kaum mehr verlaßen werden können. Hiemit entfällt jede Beiziehung allegorischer, simbolischer [sic] oder sonstiger Darstellungsweisen, und bleibt die Wahl auf die Statuen solcher Männer gerichtet, welche als Träger großer Zeitideen oder als Vollbringer erhabener Thaten in unserem Vaterlande sich rühmlich hervorgethan haben. Daß dabei auf volksthümliche Namen, sowie auf künstlerische Abwechslung und Darstellbarkeit der Gestalten thunlichst Rücksicht genommen werde, versteht sich von selbst . . 10 11). Es wird dann darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, neben der Gestalt Starhembergs auch die des Führers des Entsatzheeres Carl von Lothringen hervorzuheben. In diesem Zusammenhang sollte Wien den „trefflichen und heldenmüthigen König der Polen Johann Sobyeski“ ehren, „der durch seine und seiner Tapferen Hochherzigkeit Wiens Entsetzung ermöglichte, wofür ihm noch Wien die Anerkennung schuldet, welche abzutragen gerade in unseren Tagen die beredtesten Aufforderungen vorhanden sein möchten . . .“ n). Auf die Würdigung des Grafen Kollonitsch auch in diesem Zusammenhang ausschließlich als die eines hervorragenden Repräsentanten christlicher Nächstenliebe wurde bereits verwiesen. In dieser Beziehung, aber nicht in dieser allein, darf man natürlich auf „die hohe Erscheinung des hl. Severinus, des Einführers und Trägers der ersten Anfänge christlicher Kultur und Gesittung in die österreichischen Donaulande während der wechselvollen Brandung der Völkerwanderung als würdiger Vorwurf für die Reihe der geschichtlichen Standbilder“ nicht vergessen12). Auf eine Begründung der Auswahl Leopolds des Glorreichen und Rudolfs des Stifters, vorwiegend als Kulturträgers, wurde bereits verwiesen. Herzog Heinrich Jasomirgott, Fischer von Erlach und Sonnenfels werden in der Denkschrift nicht erwähnt. Alles in allem kann diese ihrem Inhalt nach wohl als ein Kompromiß zwischen der Möglichkeit einer Heldengalerie gleich den späteren Statuen Unter den Linden in Berlin und einer repräsentativen Auswahl wirklicher österreichischer Kulturschöpfer angesehen werden. Diese Komponente fehlt in der endgültigen Auswahl gewiß nicht ganz, kommt aber doch nur recht schwächlich zum Tragen, wenn man bedenkt, daß weder ein Dichter noch ein Komponist und mit Ausnahme von Fischer von Erlach und Sonnenfels kein weiterer Repräsentant des in der österreichischen Kulturgeschichte so reichen 18. Jahrhunderts vertreten ist. Aber freilich, je näher man der Gegenwart kam, desto schwieriger wurde eine Auswahl, welche die Aufklärung zwar nicht ganz .verneinen, aber jeden denkbaren geistigen Zusammenhang zwi10) Ebenda. 11) Ebenda. Ob sich diese besonderen Umstände auf die Erlassung des Februarpatentes und den Zusammentritt des Reichsrates beziehen, mag dahingestellt bleiben. Sicher ist jedenfalls, daß diese Ehrenschuld bis heute nicht getilgt wurde. 12) Ebenda.