Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
KANN, Robert A.: Die Statuen vor dem Wiener Rathaus
Die Statuen vor dem Wiener Rathaus 283 sehen ihr, der Revolution von 1848 und dem Liberalismus schaudernd von sich weisen mußte. Ein Wort über die weitere Geschichte der Statuen mag angezeigt sein. Im Verlaufe der Wienflußregulierung wurde die Elisabethbrücke 1897 gesperrt und bald ganz abgerissen. Die heimatlosen Statuen wurden zunächst provisorisch vor der Station Karlsplatz der Stadtbahn aufgestellt, und da diese mit Dampf betrieben wurde, nannte man die Standbüder bald „die acht Rauchfangkehrer“. Sie mußten daher wieder übersiedeln, und zwar in den Arkadenhof des neuen Rathauses, von wo sie erst nach zwei Jahren, 1902, ihren gegenwärtigen, hoffentlich endgültigen Ruheposten finden sollten. Für den Grund dieser Verzögerung war der bedeutende Städteplaner Camillo Sitte verantwortlich. Gerhart Kapner, ein hervorragender Kenner des Gegenstandes, drückt dies so aus: „1889, ein Jahr nach der Enthüllung des Maria Theresien-Denkmals stellte der Städtebauer Camülo Sitte fest, daß in Wien gerade die neuen Riesenplätze beim Rathaus, bei der Votivkirche etc. in ihrem jetzigen Zustand für Monumentalaufstellungen untauglich sind ... wegen ihrer Größe und Formlosigkeit ... Zu den Stadien dieser Psychose: Ehe nahezu eineinhalb Jahrzehnte nach .Sittes Verdikt die acht von der Elisabethbrücke nach der Wienflußeinwölbung demontierten Statuen wagen durften, auf den Rathausplatz hinauszutreten, mußten sie vorerst gehörig im Arkadenhof des Rathauses antichambrieren“13). Kann man hier auch nur im übertragenen Sinn von einer Psychose sprechen? Das Problem des Verschwindens eines Monumentes gegenüber den Riesendimensionen des Platzes wurde im Falle des Maria Theresien-Denkmals durch dessen Größe erfolgreich gelöst, und dies unbeschadet des vielleicht eher problematischen künstlerischen Wertes des Denkmales selbst. Glücklicher noch wurde die bescheidenere Aufgabe erfüllt, die acht Statuen der Elisabethbrücke durch die Zweiteilung des Rathausparks in einen Raum zu stellen, der die übermächtige Kulisse des Rathauses einengt. Verbürgt aber diese eigentlich vorbildliche Lösung das Verbleiben der Standbilder an ihrem Platz? Sonnenfels’ Statue wurde nach der nationalsozialistischen Machtergreifung, wie übrigens auch die Büste Victor Adlers am naheliegenden Republikdenkmal, von ihrem Postament entfernt, aber nicht zerstört, sondern wie die Adler-Büste in einem Magazin des Rathauses aufbewahrt. Nach dem Fall des Regimes wurden Büste und Statue unbeschädigt wieder aufgestellt; allerdings wurde Sonnenfels bei der neuen Beschriftung des Denkmals zunächst sein „von“ entzogen, das auf einen Adelsbrief hinwies, den schon sein Vater erhalten hatte und an dem ihm sicherlich sehr viel lag. Nach einigen Jahren wurde auch hier eine historische Korrektur vorgenommen und eine völlige restitutio in integrum des Standbildes erreicht. Die Episode der Son- nenfels-Statue mag daran erinnern, daß die Unversehrtheit eines Denkmals nicht nur von der Eignung des Platzes und von kunsthistorisch motivierten Schutzbestimmungen, sondern vor allem von friedlichen Zeitläuften und der Unversehrtheit der Einrichtungen des Rechtsstaates abhängig ist. 13) Gerhardt Kapner Die Denkmäler der Wiener Ringstraße (Wien 1969) 41f.