Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

KANN, Robert A.: Die Statuen vor dem Wiener Rathaus

280 Robert A. Kann Verdienste hervorgehoben, bei Rudolf dem Stifter das Privilegium maius und selbstverständlich auch die Gründung der Universität, aber ganz allgemein auch die Grundlegung „zur nachmaligen Größe der österreichischen Monar­chie“4). Die militärischen Verdienste Salms und Starhembergs sind anderer­seits der offensichtliche Grund ihrer Auswahl, ebenso wie die künstlerische Leistung Fischer von Erlachs. Interessanter ist die Begründung für die Auswahl von Kollonitsch und Son­nenfels, deren Weltanschauungen, kirchentreue Politik und Aufklärung, sich offensichtlich die Waage halten sollten. Kollonitsch hat sich bekanntlich während der zweiten Türkenbelagerung als Vertreter der christlichen caritas sehr verdient gemacht, aber sein Name ist doch hauptsächlich als der eines außerordentlich scharfen Kämpfers für die Gegenreformation in Ungarn be­kannt, wo er auch nach 1683 als Erzbischof und Kardinal wirkte. Von dieser weiteren, umstrittenen Tätigkeit des Grafen wird nichts erwähnt. Das ange­zogene Merkblatt des Vereins sagt nur: „Leopold Graf Kollonitsch von Neustadt, ebenso durch Heldenmuth als durch echte christliche Hirtensorge den Wienern vorleuchtend in Ausdauer und Geisteserhebung in den Tagen schwerster Prüfung, der Tröster und Pfleger der Kranken und Gefangenen während der zweiten Türkenbelagerung“5). Über Sonnenfels wird dort ausgeführt: „Der Held des sittlichen und intellektuellen Fortschrittes in Österreich, der Gesetzge­ber und Schriftsteller, als solcher die Haupttriebfeder der Aufhebung der Folter in den Erbstaaten, endlich der Beförderer des deutschen Theaters, des literarischen Ge­schmackes und der bildenden Künste in Wien“6). Hier wird also, wie immer man über Sonnenfels als „Beförderer des literari­schen Geschmackes“ denken mag, wirklich auf die Hauptmotive seines Le­benswerkes Bezug genommen. Das späte Datum des Merkblattes, das des Ausgleichs]ahres 1867 und der österreichischen Staatsgrundgesetze, erklärt wohl die verhältnismäßig freimütige Wertung der Verdienste Sonnenfels’ und die Ignorierung der durch Kollonitsch aktivierten Protestantenverfolgungen in Ungarn. Man könnte die Frage auf werfen, weshalb Künstler jeder Art nur durch den einen Fischer von Erlach vertreten wurden. Grillparzer war noch am Leben, und es war und ist ungebräuchlich, Lebende durch Monumente zu ehren. Weshalb aber gedachte man beispielsweise nicht Lenaus, Beethovens, Haydns, Mozarts oder Schuberts, deren Denkmäler erst Jahre später geschaf­fen wurden? Die Antwort liegt wohl darin, daß die Auswahl der acht Statuen im Sinne einer geistigen Übergangsperiode erfolgte und daß dies schon eine Konzession an den sich vom Neoabsolutismus zum Liberalismus wandelnden Zeitgeist bedeutete. Allzuweit hatte er sich freilich noch nicht gewandelt, wie die folgenden Dokumente zeigen. 4) AVA Stadterweiterungsfond Sign. 13/IH/E ZI. 18.760/1867: Merkblatt des Ver­eins zur Förderung bildender Künste in Wien. 5) Ebenda. 6) Ebenda.

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