Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

BROUCEK, Peter: Aus den Erinnerungen eines Kundschaftsoffiziers in Tirol 1914–1918

268 Peter Broucek Übergabe erfolgte mehr als ein Jahrzehnt nach der Vorladung ihres Gatten am 4. Mai 1947 zu einer Dienststelle der sowjetischen Besatzungsmacht nach Krems an der Donau; seither ist Rodler abgängig. Die Maschinschrift wurde gemäß inhaltlicher Merkmale möglicherweise bereits 1944 begonnen, jeden­falls aber erst nach dem 8. Mai 1945 fertiggestellt. Sie umfaßt dreihundertein Seiten samt dreizehn Situationsskizzen und zwanzig Photos als Beilagen. Ein Verleger, an den das Manuskript vor der Übergabe an das Kriegsarchiv zur Drucklegung, die dann nicht zustande kam, entlehnt worden war, hat Ver­merke über Textkürzungen angebracht. Ferner befinden sich am Korrektur­rand mehrerer Seiten der Maschinschrift einige handschriftliche Anmerkun­gen zum Text, die der Vorvorgänger Rodlers in seiner Funktion als Kund­schaftsoffizier beim Landesverteidigungskommando Tirol, k. u. k. Major im Generalstabskorps in Ruhe Eugen Hirsch-Stronstorff, angebracht hat18). II Rodler schildert in seinen Erinnerungen zunächst einige Erlebnisse als Trup­pen- beziehungsweise Kundschaftsoffizier der Vorkriegszeit und beschreibt vor allem die Ausspähung italienischer Befestigungen an der Tiroler Grenze und seine Erlebnisse als ortskundiger Führer des Chefs des Generalstabes, General der Infanterie Conrad, als dieser 1907 die Grenze abging. Ausführli­cher erzählt Rodler über seine Eindrücke als Leiter der Kundschaftsstelle in Innsbruck 1914 bis 1915 zur Zeit der Neutralität Italiens19) und erster An­zeichen der Vorbereitungen für einen Kriegseintritt20). „In Tirol war eine verstärkte italienische Spionagetätigkeit feststellbar, und unsere Agenten in Italien berichteten von zwar langsamen, aber ununterbrochenen Truppen­sammlungen an der italienischen Nordgrenze. Da unser Außenministerium der Ansicht war, daß alle Gegenmaßnahmen unsererseits Italien verstimmen und uns zum direkten Feinde machen würde, mußten solche Maßnahmen unterbleiben. Diese Ansicht des derösterreich. Parte und diverse Personaldokumente, die auch das Datum der Abgän­gigkeit des Gatten enthalten, in: B/653, n. 2. ls) Eugen Hirsch Edler von Stronstorff (1881-1978) war von 1910 bis 1912 - als k. u. k. Oberleutnant zugeteilt dem Generalstab - beim XIV. (Tiroler) Korpskommando als Kundschaftsoffizier eingeteilt. Auf Bitte des Kriegsarchivs verfaßte er ein Manu­skript Meine Begegnungen mit Erich Rodler, das die Zeit nach 1918 betrifft (B/653, n. 3). Der Verfasser verdankt Kommerzialrat Hirsch-Stronstorff während der Jahre 1971 bis 1978 zahlreiche Aufschlüsse über das k. u. k. Generalstabskorps und das Kundschaftswesen. 19) Über das Verhältnis zwischen Österreich-Ungarn und Italien 1914/15 vgl. Her­mann Möcker Die Haltung Italiens von der Neutralitätserklärung bis zur Interven­tion (August 1914 bis Mai 1915) (masch. Hausarbeit zur Lehramtsprüfung an der Uni­versität Wien 1962). Über Tirol vgl. Ernst Eigentier Tirol im Inneren während des Ersten Weltkrieges von 1914—1918 (ungedr. phü. Diss. Innsbruck 1954). Zur Nationali­tätenfrage vgl. Hans Kramer Die Italiener unter der österreichisch-ungarischen Mo­narchie. (Wiener historische Studien 2, Wien-München 1954) und Theodor Veiter Die Italiener in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Eine volkspolitische und natio­nalitätenrechtliche Studie (Wien 1965). Die beste militärische Darstellung der Kämpfe in Tirol ist Cletus Pichler Der Krieg in Tirol 1915/16 (Innsbruck 1924). 20) B/653, n. 1, fol. 15 f.

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