Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

BROUCEK, Peter: Aus den Erinnerungen eines Kundschaftsoffiziers in Tirol 1914–1918

264 Peter Broucek Eine „kundschaftliche Zentralstelle“ entstand im Rahmen des Generalquar­tiermeisterstabes 1850, sie erhielt den Namen „Evidenzbüro des k. (u.) k. Reichskriegsministeriums“. Ab der Mobilmachung 1914 wurde aus den An­gehörigen des Evidenzbüros die Nachrichtenabteilung des Armeeoberkom­mandos (AOK) gebildet. Das Evidenzbüro betrieb sowohl Nachrichtenbe­schaffung, Nachrichtenauswertung als auch — insbesondere ab der Jahrhun­dertwende - Spionageabwehr. Es arbeitete eng — und im allgemeinen ausge­zeichnet - mit dem k. u. k. Außenministerium und den Polizeidienststellen zusammen. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurden die Generalstabsoffiziere, die diesem Büro zeitweilig angehörten - beziehungsweise bei den höheren Kom­manden, insbesondere den Korpskommanden (Hauptkundschaftsstellen), ein­geteilt waren —, auch mit den nationalen sowie den sozialen Konflikten in­nerhalb der Donaumonarchie vertraut. Sie hatten unter anderem die Aufga­be, den Einfluß aus dem Ausland und dem Inland, der sich jener Konflikt­stoffe zur Erforschung und im Kriege zur Minderung der Schlagkraft der ge­samten bewaffneten Macht zu bedienen suchte, unter Kontrolle zu halten. Dieser Kreis von Offizieren erhielt ab Beginn des Ersten Weltkrieges, zumin­dest in der österreichischen Reichshälfte, somit ein ausgedehntes Betäti­gungsfeld, da weite Teile Österreichs als Kriegsgebiete unter militärische Verwaltung kamen und die für die einzelnen Kriegsfälle vorgesehenen Aus­nahmegesetze ab Kriegsbeginn in Kraft traten5): Damit wurden gewisse Be­stimmungen des Staatsgrundgesetzes außer Kraft gesetzt und der Übergang eines Teiles der Gerichtsbarkeit an die Armee verfügt. Die teilweise Aufhe­bung der Gesetze erfolgte erst im Jahre 1917 6). Nur wenige Offiziere, die im Ersten Weltkrieg in den zentralen Büros des Nachrichtendienstes oder in der hohen Führung, von den Heeresgruppen bis herunter zu den Korpskommanden, eingeteilt oder, wie einige Truppen- und Reserveoffiziere, zu ihnen „kommandiert“ waren, haben Memoiren niederge­schrieben oder veröffentlicht7). Darunter kommen Darstellungen der letzten 5) Christoph Führ Das k. u. k. Armeeoberkommando und die Innenpolitik in Österreich 1914—1917 (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monar­chie 7, Graz - Wien — Köln 1968) 17—20; Gustav Spann Zensur in Österreich wäh­rend des 1. Weltkrieges 1914-1918 (ungedr. phil. Diss. Wien 1972) 43-50. Vgl. im übri­gen die unter Anm. 1 angegebene Literatur. 6) Hans Hautmann Kriegsgesetze und Militärjustiz in der österreichischen Reichshälfte 1914—1918 in Justiz und Zeitgeschichte (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften Salzburg 1, Wien 1977) 101-122, sowie die auf dieses Referat Bezug nehmenden Diskussionsbeiträge 307, 324-326, 334f, 338-341. 7) Vgl. die Angaben in den entsprechenden Abschnitten bei Gunzenhäuser Ge­schichte des geheimen Nachrichtendienstes. Ein „zum Generalstab kommandierter“ Truppenoffizier, der 1912 bis 1915 und 1917 bis 1918 im Evidenzbüro bzw. in der Nachrichtenabteüung eingeteilt war, war Oberstleutnant Hermann Zerzawy, später Angehöriger des Kriegsarchivs. Seine Erinnerungen erschienen in den Jahrgängen 1954 bis 1958 der Zeitschrift Neue Illustrierte Wochenschau in loser Folge unter dem Titel Vor 40 Jahren: Eine Welt ging unter; vgl. ferner Heinrich Benedikt Damals im

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