Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHUBERT, Peter: Der österreichisch-italienische Gegensatz im Spiegel der Militärattachéberichte aus Bern (1908–1915)

Der österr.-ital. Gegensatz im Spiegel der Militarattachéberichte 261 lienischen Angriffe in der ersten Kriegsphase nur sehr vorsichtig vorgetragen wurden. Durch seine Verbindungen zum Dechiffrierungsbüro des eidgenössischen Nachrichtendienstes konnte der Militárattaché schließlich auch noch über­prüfen, ob solche Meldungen auch tatsächlich an die feindlichen Kund­schaftsstellen weitergegeben wurden103). Inzwischen war Italien jedoch in London zur Unterzeichnung eines Vertrages gekommen, der den Kriegseintritt des Königreiches auf Seiten der Entente bzw. der „Alliierten und Assoziierten Mächte“ bindend vorsah; Italien war tatsächlich den blutigen Weg des „sacro egoismo“ in den Weltkrieg gegan­gen. Der Militárattaché von Einem spürte die Spannung an einer Mitteilung des eidgenössischen Generalstabes über die baldige Mobilmachung der Schweiz an der südlichen Grenze104), wenig später an der Einstellung des Güterverkehrs mit Venedig105) und bald auch an den ersten telegraphischen Einberufungen nach Italien106). Am 23. Mai 1915 fielen die ersten Schüsse an dieser neuen Front des Welt­krieges, der ehemalige Verbündete Italien hatte der Donaumonarchie den Krieg erklärt, und für die Schweiz bedeutete dies, immer mehr zum gehei­men Kriegsschauplatz zu werden, auf dem zwar nicht die endgültigen Ent­scheidungen dieses Krieges, aber doch wichtige Einzelereignisse des österrei­chisch-italienischen Kriegsgeschehens vorbereitet und zum Teil auch ent­schieden wurden. Mancher Erfolg der k. u. k. Truppen sollte seine Wurzel ebenso beim österreichisch-ungarischen Militárattaché in Bern haben, wie mancher Mißerfolg der Italiener: Es sei hier nur die rechtzeitige Warnung vor den italienischen Absichten in der ersten, dritten und vierten Isonzo- schlacht107) und die genaue Durchgabe des Schiffsverkehrs von und nach den italienischen Häfen108) erwähnt; während die Versenkung der italieni­schen Schlachtschiffe „Leonardo da Vinci“ und „Benedetto Brin“ durch aus 103) Etwa: KA Mil. Att. Bern an Evidenzbüro (?), 1915 Juni 18, Res. Nr. 777, liegt im Tsehechen-Faszikel (C-Fasz.): „ ... Mir liegt ein besonders interessantes Telegramm des russischen Militarattachés vom 29. März d. J. vor, welches lautet: Nachrichten des böhmischen Agenten, mitgeteilt durch Prof. Masaryk: Truppenverschiebungen durch Prag ... im März.“ 104) KA Mil. AU. Bern 1915 April 24, Res. Nr. 418 - laut Exhibitenprotokoll. los) KA Mil. Att. Bem an Evidenzbüro, 1915 Mai 5, Res. Nr. 467/1 — laut Exhibi­tenprotokoll. 106) KA Mil. Att. Bern 1915 Mai 8, Res. Nr. 487. 107) KA Mil. Att. Bern an Evidenzbüro, 1915 Juni 30, Res. Nr. 919 — laut Exhibi­tenprotokoll (1. Isonzoschlacht); Ronge Kriegs- und Industriespionage 169 (rechtzei­tige Meldung der 3. Isonzoschlacht); KA Mil. AU. Bern 1915 November 9, Res. Nr. 2927 (4. Isonzoschlacht). los) Ab Juni 1915; so etwa KA Mil. Att. Bern an Evidenzbüro, 1915 Oktober 13, Res. Nr. 2386. Besonders interessant: Ledinegg an Mil. Att. Bern, 1917 März 20, Res. Nr. 1137 (Dampfer „Gange“ fährt am 30. März ab Marseille über Suez nach Mel­bourne) und 1917 Mai 2, Res. Nr. 1909 (Dampfer „Gange“ als versenkt gemeldet). - Hauptmann Ledinegg war der Leiter der österreichisch-ungarischen Kundschaftstelle in Genf, offiziell am dortigen Konsulat angestellt.

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