Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHUBERT, Peter: Der österreichisch-italienische Gegensatz im Spiegel der Militärattachéberichte aus Bern (1908–1915)

Der österr.-ital. Gegensatz im Spiegel der Militarattachéberichte 255 verschiedene Informationen für Conrad übergeben48) und bereits am näch­sten Tag übersandte Einem ein Elaborat, das sich mit der Situation der Schweiz im Falle eines italienischen Angriffes befaßte49), um wenig später vom Evidenzbüro Genaueres — wenn dort vorhanden — über die italienischen Angriffspläne gegen die Schweiz zu erbitten50). Umgehend erhielt er die Antwort, die photographischen Kopien der entsprechenden italienischen Pla­nungen würden ihm übersandt51), was jedoch erst nach einiger Verzögerung tatsächlich geschah52). Ohne daß diese Kopien heute noch vorhanden sind, kann dazu das Eine mit Bestimmtheit ausgesagt werden, nämlich daß es sich dabei um Fälschungen handelte; denn seit dem Herbst 1914 war auch das letzte, bis dahin zur Be­obachtung der Schweizer Grenze eingeteilte, italienische Armeekorps abge­zogen53) und den gegen Österreich gerichteten Truppen zugeteilt worden, — ein Faktum, das den österreichischen Stellen auch bekannt war54). Doch blieb dies nicht die einzige Aktion in Richtung auf Wiedergewinnung der Schweiz. Wie üblich, regte die Jahreswende die Presseorgane zur Befas­sung mit der nahen Zukunft an. So auch 1914/15, als die Wiener Reichspost die Sympathien der Schweiz für Österreich-Ungarn so stark herausstellte, daß der Secolo befürchtete, das Gerücht vom schweizerisch-österreichisch- ungarischen Bündnis könnte neue Nahrung erhalten55); wobei andererseits aber italienische Vorkehrungen, wie die Einberufung von 200.000 Reservisten und die Aufforderung an in der Schweiz lebende Italiener, sich bei den Kon­sulaten zu melden56), sogar die ententophilen Presseorgane an den friedli­chen Absichten des südlichen Nachbarn zweifeln ließen57). Der Militärattache berichtete in den in rascher Abfolge ergehenden Pressere- sumés über die sich verschärfende Situation, die sehr rasch auf ein Spiel zwischen den drei beteiligten Staaten, Österreich-Ungarn, die Schweiz und Italien, hinauslief58); so über die Aufforderung der Gazette de Lausanne an die eidgenössischen Diplomaten, Vorbereitungen für den italienischen 48) KA Mil. Att. Bem an Conrad, 1915 Jänner 3, Res. Nr. 3 - laut Exhibitenproto- koll. 49) KA Mil. Att. Bern an Conrad, 1915 Jänner 4, Res. Nr. 5 - laut Exhibitenproto- koll. 50) KA Mil. Att. Bern an Evidenzbüro, 1915 Jänner 9, Res. Nr. 20. Chiffrentele­gramm - laut Exhibitenprotokoll. 51) KA Evidenzbüro an Mil. Att. Bern, 1915 Jänner 10, Res. Nr. 25 — laut Exhibi­tenprotokoll. 52) KA Mil. Att. Bern an Evidenzbüro, 1915 Jänner 27, Res. Nr. 77; Evidenzbüro an Mil. Att. Bem, 1915 Jänner 30, Res. Nr. 90 - laut Exhibitenprotokoll. 53) Schäfer Kriegspläne Italiens 2f. 54) Max Ronge Kriegs- und Industriespionage. Zwölf Jahre Kundschaftsdienst (Zürich — Leipzig — Wien 1930) Skizzen 9a und 9b. 55) KA Mil. Att. Bern 1914 Dezember 31, Res. Nr. 396. Presseresumé. 56) Ebenda. 57) KA Mil. Att. Bern 1915 Jänner 2, Res. Nr. 1, und 1915 Jänner 5, Res. Nr. 10. Presseresumés. 58) Genauerbei Schubert Militárattaché 46ff.

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