Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHUBERT, Peter: Der österreichisch-italienische Gegensatz im Spiegel der Militärattachéberichte aus Bern (1908–1915)

Der österr.-ital. Gegensatz im Spiegel der Militárattachéberichte 251 schriftliche Abmachungen - gegeben hat, die er wohl 1910, während der Schweizer Manöver, direkt mit Sprecher führte. In der letztgenannten Denkschrift ging Conrad schließlich noch weiter und legte Kaiser Franz Joseph auch ein Kriegszielprogramm vor, das — soweit es Italien betraf - zwar den Absichten des jungen Kaisers entsprochen hätte22), den Plänen des alten Monarchen jedoch gänzlich widersprach: Unter diesen Kriegszielen sticht an territorialen Forderungen die Rückgabe Venetiens her­vor, - wobei dies noch nicht die Maximalforderung gewesen sein dürfte. Im­merhin führte der Generalstabschef im Anschluß an die Formulierung dieses Kriegszieles weiter aus: „Bei all dem ist nicht zu vergessen, daß die Lombar­dei und Venetien ... von Italien unter skrupelloser Ausnützung momentan günstiger Verhältnisse“ der Donaumonarchie „ ... abgenommen wurden“23). Ein weiteres Indiz zielt in dieselbe Richtung: Im eingangs erwähnten Schrei­ben des Militärattachös vom 26. Juni 1908 ist an der Stelle, an der die Stoß­richtung der geplanten Schweizer Offensive erwähnt wird, mit Bleistift am Rande das Wort „Mailand“ beigefügt, - und dieses Angriffsziel der Schwei­zer Offensivplanung wurde auch vom englischen Militärattachö berichtet, als dieser durch eine Indiskretion von den Besprechungen zwischen Öster­reich-Ungarn und der Schweiz erfuhr24). Sicher lassen diese wenigen Indizien keinen schlüssigen Beweis zu; bedenkt man jedoch, daß Conrads militärische Planung der Offensive von der Hoch­fläche der Sette Communi25) zum Meer im engen Zusammenhang mit der territorialen Forderung der Gewinnung Venetiens steht, läßt sich doch zu­mindest die Arbeitshypothese für eine weitergehende Forschung aufstellen, Conrad hätte sich durch die Unterstützung der Schweiz gegenüber Italien stark genug gefühlt, den Konflikt mit Italien weiter zu verschärfen und als Kriegsziel die Rückgewinnung des ganzen lombardo-venezianischen König­reiches anzustreben. Doch Conrads Planung ging nicht auf: einerseits weü Kaiser Franz Joseph I. und vor allem auch Erzherzog Franz Ferdinand26) den Präventivkrieg ab­lehnten27), andererseits aber auch, weil die Absprachen mit der Schweiz — wie bereits erwähnt — nicht geheim blieben und der britische Militärattachö Delmé-Ratcliffe, der noch dazu peinlicherweise in Rom und Bern gleichzeitig 22) Emil Franzei 1866. II mondo casca. Das Ende des alten Europa 1 (Wien — München 1968) 303. 23) Conrad Dienstzeit 2 449. 24) KA Conrad Archiv B 1 1908 53: Berlepsch an Conrad, 1908 Juni 26, Res. Nr. 5. Streng geheim. 25) Rudolf Kiszling Die hohe Führung der Heere Habsburg im Ersten Weltkrieg (Wien o. J.) 89f. 26) Robert A. Kann Kaiser Franz Joseph und der Ausbruch des Ersten Weltkrie­ges. Eine Betrachtung über den Quellenwert der Aufzeichnungen von Dr. Heinrich Kanner (Sitzungsberichte der österreichischen Akademie der Wissenschaften, phil.- hist. Kl. 274/3, Wien 1971) 13ff. 27) Conrad Dienstzeit 2 282.

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