Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
SCHRÖCKER, Alfred: Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (1655–1729)
118 Alfred Schröcker nämlich in solchen Dingen, von denen die Wohlfahrt der Stifte abhänge, wie Verkauf oder Austausch von Stiftsbesitz. Lothar Franz hatte zunächst den Eindruck, daß durch die Einwilligung in die Forderung des Domkapitels „ein zeitlicher Regent und dessen Domkapitul gleichsam in das Parallel gesetzt“ würden. Er ließ sich jedoch von diesem Standpunkt abbringen, als das Kapitel die frühere Observanz mit Originaldokumenten belegen konnte, unter anderem mit dem Originalvertrag von 1656 zwischen Kurmainz und Kurköln über die Königskrönung. Lothar Franz anerkannte zwar, daß der Gedanke Stadions „in lege et in regula sein Fundament und Richtigkeit“ habe, setzte aber dagegen, daß „die Observanz auch ihre Rechtskräften und vim legis hat“. Er entschied sich also nicht gegen das „bene placitum“ der Vorgänger54). Wenn man die Frage der Wahlkapitulationen als ein Kriterium absoluter Herrschaftsauffassung in den Reichsstiften ansieht55), so ist Lothar Franz als Gegner des päpstlichen und kaiserlichen Kapitulationsverbotes von 1695 und 1698 kein absoluter Fürst56). Eine ähnliche Tendenz, wie sie hinsichtlich der Domkapitel zu bemerken ist, läßt sich auch gegenüber der Reichsritterschaft in Verbindung mit dem Hochstift Bamberg belegen. Lothar Franz entschied in Zweifelsfällen stets zugunsten der Ritterschaft, z. B. betreffs Besteuerung von ritterschaftlichem Besitz57), im Streit um die kostenlose Quartierleistung zugunsten Bambergs58); schließlich begünstigten die Rezesse mit dem Hochstift die Ritterschaft59), die sich hier und im allgemeinen dem Protektor dankbar zeigte60). 54) Korr. LF mit Domkapitel und LF mit Stadion im Februar 1718: HHStA Wien Nachlaß Stadion 2. 55) Vierhaus Wahlkapitulationen 205ff. 56) Schröcker Domkapitel 150. 57) 1710 November 29, LF an Kanzler Karg: StA Ba. B 56/4; LF ging davon aus, daß „der Reichsadel eine zeithero ziemlich gelitten und herabkommen“; deshalb versuche er als Landesherr zu „Konservier- und Aufrechterhaltung so viel als nur tun- und möglich sein kann, unsers Orts in allen Vorfallenheiten zu kontribuieren“; Karg erhält den Auftrag, die Beschwerden des Ritterkantons Gebirg gegen das Hochstift Bamberg betreffs Kollekte zugunsten der Ritterschaft beizulegen. Vgl. dazu Johann Jacob Moser Neues Teutsches Staatsrecht (Nachdruck der Ausgabe Stuttgart/Frank- furt 1766ff: Osnabrück 1967) Reichsstände 1257: „Die, so in geistlicher Kur- und Fürsten Landen liegen, haben meistens gute Zeit und keine Reimionen zu befürchten.“ 58) 17 0 6 März-April, Korr. LF mit Bamberger Obereinnahme: StA Ba. B 611; Marschall von Ebnet verweigerte für die Bamberger Kreistruppen ein kostenloses Winterquartier auf seinem Rittergut Frensdorf; die Bamberger Regierungskommission sieht darin nicht eine einmalige Angelegenheit, sondern befürchtet, daß „gleichsam status in statu“ erreicht würde; LF will die Sache lautlos regeln lassen, damit nicht alle Adeligen protestieren; die Observanz sei nicht allzu stichhaltig etc. Ein anderes Beispiel: Im Streit der Rotenhan mit dem Hochstift Bamberg betreffs Erbhandlohn und Nachsteuer zu Schmachtenberg gibt das Hochstift 1701 nach: Julius I. Freiherr von Rotenhan Geschichte der Familie Rothenhan älterer Linie 1 (Würzburg 1865) 877. s9) StA Ba. B 56/7; StA Ba. Rep. G 4 Nr. St. 56 und G 40 für 1715; StA Ba. G 4 Gebirg 28 für 1700; Fränkische Bibliographie 1—4 (Veröffentlichungen der Gesellschaft